banner-tegeler-buecherstube-hdneu.jpg

banner-buchhandlung-menger-hdneu.jpg

banner-buchhandlung-haberland-hdneu.jpg

banner-buchhandlung-anagramm-hd_1.jpg

0
8,95 €
(inkl. MwSt.)

Nicht lieferbar

In den Warenkorb
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783453811690
Sprache: Deutsch
Umfang: 233 S.
Format (T/L/B): 1.6 x 18.5 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Die außergewöhnliche Geschichte eines angekündigten Todes »Elf Tage lang wird Luca noch Sohn sein, Kind seiner Eltern, mit Vater und Mutter, die man jederzeit anrufen kann. Dann werden sie sterben.« So beginnt "Schlemm", der beeindruckende Debütroman von Nicola Bardola, in dem er auf einzigartige Art und Weise den Freitod seiner Eltern verarbeitet. Im Spannungsfeld von Liebe und Tod entfaltet sich ein fesselndes Familienporträt. Mit 16 Seiten Zusatzmaterial.

Leseprobe

Eins Luca spürt den Stoß im Rücken, wehrt sich gegen den Fall, will sich umdrehen, nicht um zu sehen, wer ihn stieß, sondern um Gewissheit zu bekommen, ob seine Eltern mit dem Stoß einverstanden sind. Das Telefon klingelt. Die Tochter schläft. Die Frau sieht im Wohnzimmer fern. Mit dem Hörer in der Hand ist er sofort Sohn. Vor etwa einer Stunde hatte er seiner neunjährigen Tochter noch eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Der Vater fragt, ob er den Termin wissen wolle. Es ist kein gewöhnlicher Termin, sondern eine Deadline. Der neunte Dezember. Das Gespräch ist kurz. Kommentare und Gefühle werden auf später verschoben. Das Datum aber prägt sich Luca ein. Der neunte Dezember, ein Tag vor seinem und Sabines Hochzeitstag. Aber das sagt er dem Vater nicht. Es bleiben fast zwei Wochen. Luca hat das Gefühl, sich gut auf diesen Moment vorbereitet zu haben. Elf Tage lang wird Luca noch Sohn sein, Kind seiner Eltern, mit Vater und Mutter, die man jederzeit anrufen kann. Dann werden sie sterben. Äußerlich unversehrt und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Absurd und nicht akzeptabel, wird Lucas Schwägerin Christina sagen. Luca notiert den neunten Dezember im Kalender, blickt auf die elf freien Tageszeilen bis dahin und erinnert sich an eine Zeit, in der er nicht sicher war, ob Paul und Franca seine Eltern sind. Damals war er etwas jünger als seine Tochter Nora jetzt. Die Unsicherheit betraf vor allem den Vater, denn eine Ähnlichkeit mit der Mutter war unbestreitbar. Aber mit seinem angeblichen Vater Paul? Luca zählt noch einmal die Tage bis zum neunten Dezember im Kalender. Das Telefon steckt in der Ladeschale, aber er hört noch Pauls Stimme. Sie klingt beherrscht wie immer. Vielleicht versucht sie eine leichte Verlegenheit zu verbergen. Luca zählt und sieht dabei die breite und hohe Stirn Pauls, den Schädel, die wenigen, nach hinten gekämmten Haare. Paul ist gut gealtert: ein fünfundsiebzigjähriger Ex-Bridge-Meister und Ex-Rektor, braun gebranntes Gesicht, einsachtzig groß, aufrecht, der Bauch nicht zu dick. Doch Luca sieht auch die schlaffen Wangen, das Doppelkinn und die leicht zitternden, nikotingelben Finger. Paul brauchte nie einen Beweis für seine Vaterschaft. Als Luca in den Sommerferien allein durch die Kirchgasse des Bergdorfes Sins nach Hause schlenderte, schlug die Kirchturmglocke zwölf Uhr. Zwischen zwei Schlägen hörte Luca plötzlich einen Schrei: »Polín!« Eine alte Frau in Gummistiefeln war aus einem Schafstall herausgekommen und wie erstarrt stehen geblieben. Die Schafställe der Engadiner Häuser befinden sich in den Kellern. Die Bäuerin war zu lange unten im Gestank gewesen. Das Tageslicht blendete sie. Noch einmal schrie sie »Polín!« und dann »Paolo!«. Fassungslos sah sie den kleinen Luca an, der es mit der Angst zu tun bekam. Doch dann begriffen Luca und die Frau, deren Entsetzen im Gesicht sich in ein freundliches Lachen verwandelte. Mit einem Redeschwall in rätoromanischer Sprache, von dem Luca nur wenige Wörter verstand, machte sie ihm klar, dass Luca genau so aussehe wie Paul als Kind. Der Kosename für Paul heißt im Rätoromanischen Polín mit Betonung auf der letzten Silbe. So nennen sie Lucas Vater heute noch in Sins: Polín Salamun. Einen besseren Beweis als den Schrei der Frau für Pauls Vaterschaft hätte Luca sich nicht wünschen können. Seither ist Luca Pauls Sohn. Aber würde er es nach dem neunten Dezember bleiben? Wie lange ist man nach dem Tod der Eltern noch deren Kind? Wird man erwachsener, wenn die Eltern sterben? Luca weiß es nicht. Luca erzählte damals seinen Eltern von der Begegnung mit der Bäuerin. Daraufhin zeigten sie ihm Fotos von Paul als Kind. Sie verglichen: Die Ähnlichkeit war verblüffend. Paul war auf einem Porträtfoto als Siebenjähriger von Luca kaum zu unterscheiden. Luca ruft den Personalchef des Orchesters an und bekommt drei Wochen Urlaub, ohne dass er den Grund angeben muss. Er trägt die drei Wochen in den Kalender ein. Drei Wochen nicht im Graben. Luca spielt Bass. Ursprün Leseprobe

Weitere Artikel vom Autor "Bardola, Nicola"

Alle Artikel anzeigen