Leseprobe
PROLOG Sehen Sie diese Frau da drüben? Diese blonde, gut gebaute Person mit dem gewinnenden Lächeln? Sie kennen sie, ganz bestimmt. Ihr Name ist Anna. Das Verrückte daran ist, dass Anna nicht nur gut aussieht, sondern auch noch intelligent ist, gut ausgebildet und ziemlich unneurotisch (wenn man von ihrer Vorliebe für komplizierte Bestellungen in Restaurants mal absieht, angeblich hat sie eine Glutenunverträglichkeit). Anna ist lustig, warmherzig und für jeden Blödsinn zu haben. Anna hat eine Menge Eigenschaften, die beneidenswert sind. Trotzdem ist Anna seit fünf Jahren Single. Wenn ich behaupte, dass Sie Anna kennen, dann vor allem deshalb, weil jeder in seinem Freundeskreis mindestens eine Frau hat, die ziemlich großartig ist - und trotzdem keinen Mann findet. Vielleicht sind ja sogar Sie selbst diese Frau. Ich habe viele Jahre Frauen zum Thema Liebe befragt. Was wollt ihr von einer Partnerschaft? Was sind eure Wünsche? Warum fühlt ihr euch in Partnerschaften enttäuscht oder, schlimmer noch, getäuscht? Warum verharrt ihr manchmal in Beziehungen, in denen ihr hauptsächlich genervt seid, anstatt euer wahres Liebespotenzial mit jemandem auszuschöpfen, der wirklich zu euch passt? Die Antworten waren fast immer die gleichen: Weil ich denjenigen oder diejenige einfach nicht finde. Weil ich Angst habe, dass ich dann allein dastehe. Meine Antwort darauf war auch fast immer die gleiche: Kann gar nicht sein. Das müssen wir uns mal genauer angucken. Da muss irgendein Fehler im System stecken. Ich habe diesen Fehler gefunden. Aber dazu später mehr. Kehren wir zunächst einmal zu Anna zurück. Wir sitzen in einer Bar. Anna sieht mich aus ihren großen, blaugrünen Augen an und sagt den Satz, den ich so gerne am Anfang eines Gesprächs höre: 'Du bist doch eine Frau.' Ich finde den Satz deshalb so großartig, weil er von 'Hast du ein Tampon dabei' über 'Kann ich mal deinen Lippenstift borgen' und 'Warum kriegen wir die Umweltproblematik nicht in den Griff' bis 'Erklär mir bitte noch mal ganz genau, warum er nicht zurückruft' so ziemlich alles abdeckt. 'Ich verstehe das nicht', sagt Anna. 'Wir haben uns super verstanden. Beim ersten Date waren wir im Kino und danach noch was essen. Beim zweiten Date in einer Ausstellung und tanzen. Bei der dritten Verabredung hat er mich dann nach meinen Zukunftsplänen gefragt. Natürlich habe ich ihm von meiner Beförderung erzählt. Danach war er wie ausgewechselt. Als wir uns verabschiedet haben, hat er mich nicht mal geküsst, sondern mir einen Knuff gegen den Oberarm gegeben. Was habe ich bloß falsch gemacht?' Die Antwort ist natürlich einfach: Nichts. Im Grunde kann man beim Daten nichts falsch machen, solange man einfach man selbst bleibt. Nicht mal Psychopathen können beim Daten etwas falsch machen. (Es sei denn, sie tun so, als wären sie jemand anders, zum Beispiel jemand mit Seele und Tiefgang. Auf so jemanden reinzufallen kann einem schon mal passieren, aber es sollte auf keinen Fall die Regel sein, verstanden? Ich selbst bin einmal von so einem übertölpelt worden, und ich habe bis heute blutintensive Pläne mit ihm, sollte ich einmal in diesem Land eine kleine Privatdiktatur gründen!) Das Einzige nämlich, worauf man bei der Partnersuche achten muss, ist, sich jemanden auszusuchen, der vom Entwicklungsstand her ungefähr zu einem passt. Und das wiederum ist verflixt kompliziert. Ich rede hier nicht von 'Oh mein Gott, wir mögen BEIDE Simply Red, ist das nicht der Wahnsinn? Und wir waren beide schon in diesem entzückenden Lokal an der Amalfiküste. Das kann kein Zufall sein!'. Gemeinsamkeiten mit einem anderen Menschen zu finden ist so einfach wie Rotz von der Backe wischen. Man könnte mich zum Beispiel mit irgendeinem völlig absurden Menschen in einen Raum stellen, und ich könnte in null Komma nichts ungefähr zehn Dinge finden, die wir gemeinsam haben. Nehmen wir zum Beispiel George W. Bush. Wir mögen beide Alkohol, wir lieben Reisen in entfernte, sandige Länder - wobei ich noch nie im Irak wa