Beschreibung
Die europäische Identität wird derzeit gerne als einheitliches, epochen- und länderübergreifendes, tendenziell von außen (und von zuviel Pluralität) gefährdetes Konstrukt dargestellt. Angesichts der Renaissance des Begriffs Abendland als Chiffre für diesen Identitätsbegriff geraten Pluralität und Identität leicht in eine strikte Gegensatzperspektive. Wie der vorliegende Forschungsband zeigt, wird diese dem historischen wie dem aktuellen Befund nicht gerecht. Kulturell hat Europa plurale, nämlich griechische, römische und christlich-jüdische Wurzeln, und immer neue Aushandlungsprozesse haben durch die Jahrhunderte hindurch seine Identitätsbildung geprägt. Politisch hat sich die Vielfalt in Europa stets neben den universalistischen Einheitskonzepten behauptet. Heute gehört die funktionierende Pluralität unterschiedlicher religiöser Bekenntnisse, Weltanschauungen und persönlicher Lebensentwürfe zu den unverzichtbaren Markenzeichen der europäischen Identität.
Autorenportrait
Professor Dr. theol. Dirk Ansorge lehrt Dogmatik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main.