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Gesetz und Gewalt im Kino

Normative Orders 14

Erschienen am 11.05.2015, 1. Auflage 2015
34,90 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593502915
Sprache: Deutsch
Umfang: 285 S.
Format (T/L/B): 1.8 x 21.3 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

InhaltsangabeInhalt Einleitung7 Angela Keppler, Judith-Frederike Popp, Martin Seel Ein Duell in der Grauzone von Gesetz und Gewalt: Über Heat 19 Martin Seel Licence to Kill: Zur Fantasie der gerechtfertigten Gewalt in den Filmen der Rambo-Serie29 Vinzenz Hediger Die Ästhetik des ungesühnten Verbrechens: Zu Crimes and Misdemeanors 52 Klaus Günther Dirty Harry Gewalt als Gesetz71 Günter Frankenberg Gewalt, Gesetz, Gilda: Kinematographische Ordnungen und Operationen81 Lisa Gotto Zirkel der Gewalt: Pulp Fiction98 Thomas Assheuer Vom Krieg gezeichnet: Die letzten Glühwürmchen119 JudithFrederike Popp Wenn Gewalt Geschichte wird: Zum Verhältnis von Gesetz und Gewalt in True Grit 138 Anja Peltzer Let's go! Gewalt, Gesetz und Erlösung in The Wild Bunch156 Rainer Winter Unter fremdem Gesetz. Die Figur des Widerständlers im Résistance-Film 176 Hans J. Wulff Kälte, Schweigen, Geld: Wenn das Gesetz zur Gewalt wird - am Beispiel von Il grande silenzio (Leichen pflastern seinen Weg)191 Konrad Paul Liessmann Babes Behind Bars: Zum Fraruengefängnisfilm Caged 203 Verena Lueken Anonyme Bilder verdeckter Gewalt: Über Caché 216 Martin Seel Die Pathologien des Ausnahme-Rechts: Über Zero Dark Thirty 228 Klaus Günther Eine Travestie der Gewaltverhältnisse innerhalb und außerhalb des Kinos: Über Viva Maria! 249 Angela Keppler Die Unsichtbarkeit einer perfekten Regie: Über Psycho 258 James Conant Autoren 281

Autorenportrait

Angela Keppler ist Professorin für Medien-und Kommunikationswissenschaft an der Universität Mannheim. Judith-Frederike Popp, M.A., ist wiss. Mitarbeiterin am Frankfurter Exzellenzcluster. Martin Seel ist Professor für Philosophie an der Universität Frankfurt am Main.

Leseprobe

Einleitung Angela Keppler, Judith-Frederike Popp, Martin Seel Dieses Buch ist einer Phänomenologie der Spannung von Gesetz und Gewalt gewidmet, wie sie fast seit Beginn des Kinozeitalters in zahllosen Spielfilmen vorgeführt wird. In einer Interpretation exemplarischer Filme verschiedener Genres und Epochen untersuchen die vorliegenden Beiträge, wie Filme die Verzahnung von Recht, Gesetz und Gewalt im Kino dramatisieren - und welches Licht diese Inszenierungen auf idealisierende Prämissen und Prinzipien in traditionellen und aktuellen Theorien des Rechts und der Politik werfen. Diese ästhetische Reflexionsleistung des Kinos wird aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven fruchtbar gemacht für einen nicht-illusionären Blick auf normative Ordnungen und ihren dialektischen Zusammenhang mit der Gewalt, die sie oft vergeblich zu bändigen versuchen. In dieser Einleitung stellen wir leitende Aspekte vor, die für eine Analyse der Intimität von Gesetz und Gewalt im Kino maßgeblich sind. 1 Gesetz und Gewalt Das heikle Verhältnis von Gesetz und Gewalt ist seit jeher ein zentrales Motiv in den Künsten. Die antike Tragödie hat es vielfach verhandelt und es ist in der Dramatik Shakespeares, Büchners, Brechts, bei Peter Weiss und Heiner Müller unvermindert virulent geblieben. In der Literatur haben Autoren wie Kleist, Dostojewski und Kafka einen scharfen Blick auf die Gewalt des Rechts und die Paradoxien seiner Durchsetzung gerichtet. Die Frage nach dem Verhältnis von außergesetzlicher und moralisch wie rechtlich sanktionierter Gewalt hat im Gorgias und in der Politeia schon Platon umgetrieben, und sie hat der politischen Philosophie seither - bei Hobbes, Hegel, Benjamin, Foucault, Habermas, Derrida und vielen anderen - keine Ruhe gelassen. Eine Grundfunktion allen Rechts ist die Sicherung des inneren und äußeren Friedens. Aus dem Anspruch auf Erfüllung dieser Funktion beziehen seine gesetzlichen Regelungen und die Forderung ihrer Durchsetzung seit jeher ihre Rechtfertigung, gleichgültig, welche Auffassung von Gerechtigkeit ihnen zugrunde liegt und in welchem Maß der Inhalt des Rechts eher mit egalitären oder autoritären Prinzipien verbunden ist. Erst in einem modernen Verständnis ist es der gleiche Schutz und die gleiche Freiheit aller Mitglieder einer Rechtsgemeinschaft, die - zumindest der Idee nach - durch die Kraft der Gesetze gesichert werden sollen. Das Recht, so verstanden, verpflichtet alle, die ihm unterliegen, auf die Respektierung grundlegender Rechte, die allen Menschen gleichermaßen zukommen. Gleichzeitig aber bleiben Recht und Gesetz auch und gerade in demokratischen Gesellschaften in ihrem Bestand auf die Möglichkeit ihrer zwangsweisen und damit potenziell gewaltsamen Durchsetzung angewiesen. Die Affinität von Recht, Gesetz und Gewalt wird zugleich für diese Gesellschaften auf eine besondere Weise zu einem Problem, das in ihnen fortwährend behandelt werden muss, ohne dass es beseitigt werden könnte. Dass dies kaum anders sein kann, geht schon aus der lakonischen Definition des Rechts hervor, die Immanuel Kant in seiner Metaphysik der Sitten gegeben hat: "Das Recht ist [] der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann." Kant lässt keinen Zweifel daran, dass die gegenseitige und allgemeine Einschränkung des Handlungsspielraums aller Betroffenen, gerade wenn sie im Namen ihrer Freiheit vorgenommen wird, innerhalb einer verbindlichen Rechtsordnung ohne zugehörigen Zwang weder gedacht noch realisiert werden kann. "Man kann den Begriff des Rechts in der Möglichkeit der Verknüpfung des allgemeinen wechselseitigen Zwanges mit jedermanns Freiheit unmittelbar setzen. [] Recht und Befugnis zu zwingen bedeutet also einerlei." Dieser konstitutive Zusammenhang von Recht, Gesetz und Gewalt hat in Geschichte und Gegenwart höchst unterschiedliche, eher mit versöhnlichem oder unversöhnlichem Pathos formulierte Auslegungen gefunden. Eine vergleichsweise dramatische, in der Konsequenz fatalistische, jedenfalls auf einer unausweichlichen "Paradoxie" des Rechts bestehende Deutung findet sich jüngst in Christoph Menkes Abhandlung Recht und Gewalt. Dort heißt es pointiert: "Jeder Versuch, das Verhältnis von Recht und Gewalt zu verstehen muss von zwei Feststellungen ausgehen, die zueinander in Spannung, wenn nicht im Widerspruch stehen. Die erste Feststellung besagt: Das Recht ist das Gegenteil der Gewalt; rechtliche Formen des Entscheidens werden eingeführt, um die endlose Folge von Gewalt und Gegengewalt und Gegengegengewalt zu unterbrechen, den Bann des Antwortenmüssens auf Gewalt mit neuer Gewalt zu lösen. Die zweite Feststellung besagt: Das Recht ist selbst Gewalt; auch rechtliche Entscheidungen üben Gewalt aus - äußere Gewalt, die am Körper angreift, ebenso wie innere Gewalt, die die Seele, das Sein des Verurteilten versehrt." In der vom Autor an dieser Stelle noch offen gelassenen Differenz zwischen einer "Spannung" und einem "Widerspruch" zwischen den beiden paradigmatischen Reaktionen auf die Stellung von Recht und Gewalt liegt eine Grundspannung ihrer theoretischen Erörterung. Dass Recht und Gewalt nicht zu trennen sind, dürfte, wenn man Kants Hinweisen folgt, kaum zu bestreiten sein; ob beide aber - notwendigerweise - in einem antagonistischen Verhältnis zueinander stehen, bleibt eine rechtsphilosophisch offene Frage. Menke stellt sie mit einer Radikalität, die am Beginn seiner Darlegung bereits erkennen lässt, welche dieser Optionen ihm unausweichlich scheint. "Das Problem von Recht und Gewalt ist das Problem des Verhältnisses dieser beiden Feststellungen: der Legitimation des Rechts als Gewaltüberwindung und der Kritik des Rechts als Gewaltanwendung. Beide Feststellungen stehen im Gegensatz zueinander, aber keine kann bestritten werden; beide sind wahr. Die Wahrheit beider Feststellungen einzusehen ist die erste Anforderung, um dem Verhältnis von Recht und Gewalt gerecht zu werden." 2 Gesetz und Gewalt im Kino Im Rahmen dieser Einleitung kommt es nicht darauf an, den theoretischen Disput über das Verhältnis von Recht, Gesetz und Gewalt zu entscheiden. Die voranstehende Skizze hat vielmehr allein den Sinn, an die unübersichtliche Problemlandschaft zu erinnern, deren Tektonik der Film auf seinen eigenen Wegen erkundet. Schließlich ist die Darstellung von Gewalt seit jeher ein zentrales Motiv des Kinos. In unterschiedlichen Genres nimmt diese höchst unterschiedliche Funktionen ein. Einen wichtigen Strang aber bildet in den Erzählungen des Kinos immer wieder die Frage nach dem Recht der Gewalt und der Gewalt des Rechts. Viele Spielfilme, die von Akten, Ereignissen und Zuständen offener oder latenter Gewalt erzählen, stellen durch die Art ihrer Erzählung die Frage nach der Legitimität der sozialen Ordnungen, in denen Gewalt entsteht und vergeht. Auch sie handeln von der Kontamination von Gesetz und Gewalt - jedoch nicht im Medium begrifflicher Allgemeinheit, sondern in Formen der audiovisuellen Präsentation individueller Konstellationen ihrer erlebten und erlittenen Verstrickung. Zu den klassischen Filmgenres, in denen der Zusammenhang und Gegensatz von Gesetz und Gewalt in immer neuen Varianten durchgespielt wird, gehören der Western, der Film Noir, der Kriminalfilm und der Kriegsfilm, soweit dieser die Legitimität militärischer Operationen zum Thema macht. Rechtssetzende Gewalt wird dabei ebenso inszeniert wie Gewalt bei der Durchsetzung oder Anwendung von Recht und Gesetz. Ein weiteres zentrales Motiv ist die scheinbare oder tatsächliche Diffusion der Differenz von gesetzlicher und außergesetzlicher Gewalt im Innern rechtsstaatlich verfasster Gesellschaften. In allen diesen Beziehungen exponiert das Kino die Rolle des Gesetzes als eines instabilen, brüchigen oder nur vorgeblichen Schutzes vor sozialer Gewalt - und damit die Fragilität der normativen Ordnungen, die es jeweils repräsentiert. Filme ...

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