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Knappheit, Mangel, Überfluss

Kulturwissenschaftliche Positionen zum Umgang mit begrenzten Ressourcen

Erschienen am 12.11.2015, 1. Auflage 2015
49,00 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593504759
Sprache: Deutsch
Umfang: 368 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 21.4 x 14.1 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Noch nie wurde das Problem immer knapper werdender Ressourcen so vehement diskutiert wie heute. Wie gehen Menschen mit begrenzten Ressourcen um? Wie reagieren politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Diskurse auf die Knappheit von Ressourcen? Welche Akteure und Institutionen prägen diese Diskurse? Der Band liefert in mikroperspektivisch ausgerichteten Fallstudien - etwa zum Umgang mit Schulden, zum Mülltauchen oder zur Energiearmut - Antworten auf diese Fragen.

Autorenportrait

Markus Tauschek ist Juniorprofessor für Europäische Ethnologie/Volkskunde an der Universität Kiel. Maria Grewe ist Promotionsstipendiatin im Projektkolleg 'Erfahrung und Umgang mit Endlichkeit' an der Universität Kiel.

Leseprobe

Vorwort Maria Grewe und Markus Tauschek Der vorliegende Band ist das Ergebnis einer interdisziplinären Tagung mit dem Titel "Zum Umgang mit begrenzten Ressourcen. Kulturwissenschaftliche Positionen", die vom 13. bis 15. November 2014 an der Christian-Albrechts-Universität Kiel stattfand. Während im Audimax der Universität zeitgleich das "Erste Energieforum" realisiert wurde, auf dem Expert/innen und Studierende über Nachhaltigkeit, Postwachstumsökonomie und anwendungsorientiert über den schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen diskutierten, ging es im Rahmen der Tagung um kultur- und sozialwissenschaftliche Perspektiven auf Knappheit, Mangel oder Überfluss. Im Zentrum der Beiträge stand die Frage, wie Knappheit diskursiv sowie in konkreten Praktiken hergestellt wird. Hintergrund dieser Tagung war die Beteiligung der Herausgeber im in-terdisziplinären Projektkolleg "Erfahrung und Umgang mit Endlichkeit", angesiedelt am Collegium Philosophicum der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel. In diesem produktiven Arbeitszusammenhang wuchs die Erkenntnis, dass sich die kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen mit ihrem dekonstruierenden Blick und ihren meist mikroperspektivisch angelegten Fallstudien noch stärker an den Debatten um begrenzte Ressourcen, um Nachhaltigkeit, um alternative Formen des Wirtschaftens, um die Knappheit oder Begrenztheit materieller Kultur beteiligen sollten. Gefragt waren deshalb neben empirischer Forschung auch grundlegende, programmatische Überlegungen zu einem kulturwissenschaftlich konturierten Knappheits- und Ressourcenbegriff. Dieser Band ist das Ergebnis eines engagierten Austauschs. Zustande gekommen wäre er nicht ohne die großzügige finanzielle Unterstützung durch das Seminar für Europäische Ethnologie/Volkskunde der Christian-Albrechts-Universität. Das Graduiertenzentrum der Universität Kiel, das sich für die Ausbildung von Nachwuchswissenschaftler/innen einsetzt, hat die Tagung maßgeblich gefördert und damit insbesondere die an der Tagung beteiligten Promovierenden unterstützt. Beiden Einrichtungen möchten wir an dieser Stelle ganz herzlich für ihre Unterstützung danken. Großer Dank gilt auch dem Campus Verlag, insbesondere Jürgen Hotz, für die produktive, gelassene und höchst professionelle Zusammenarbeit sowie für die Aufnahme des Bandes in das Verlagsprogramm. Besonderer Dank gilt den studentischen Mitarbeitern, allen voran Jörn Borowski, der nicht nur die Tagung maßgeblich unterstützt, sondern der auch wesentlich zur Fertigstellung des Bandes beigetragen hat. Für die Un-terstützung in den Korrekturarbeiten danken wir Maren Pusback. Großer Dank gilt schließlich auch Renate Ewald im Sekretariat des Seminars für Europäische Ethnologie/Volkskunde, die in der Vor- und Nachbereitung sowie in der Durchführung der Tagung eine großartige Hilfe war. Kiel, im Juni 2015 Knappheit, Mangel, Überfluss - Kulturanthropologische Positionen. Zur Einleitung Markus Tauschek 1. Städtischer Raum als knappe Ressource? Im Sommer 2013 materialisierte sich nahezu auf dem gesamten Kieler Stadtgebiet Protest: Aufkleber auf Postkästen und mitunter aufwändig verzierte Blumenampeln an Straßenlaternen, auf Altglascontainern oder an Gartenzäunen sollten eines sichtbar machen: Hier verschaffen sich urbane Akteure eine Stimme. Und dies in überaus kreativer Weise. Was sich auf den ersten Blick spielerisch gab, hatte handfeste politische Hintergründe. Schon im Juli 2011 hatte der damalige Kieler Oberbürgermeister die Öffentlichkeit darüber informiert, dass das Gelände einer Kleingartenkolonie der Filiale eines großen Möbelkonzerns weichen sollte. Die sich daraus etablierenden Formationen des Protests gegen den Neubau einer Filiale der Firma "Möbel Kraft" waren vielschichtig: Argumente der Ökologie - etwa gegen die Versiegelung von Flächen - verbanden sich mit der Frage, wem die Stadt gehöre, mit Visionen einer partizipativen, basisdemokratischen Politik; dazu mischten sich konsum- und wirtschaftskritische Positionen gegen neoliberale Marktlogiken. "Stoppt die Grüngürtelvernichtung in Kiel"; "Blütenstaub statt Lauben-raub"; "Möhrensaft statt Möbelkraft" oder "Apfelkraft statt Möbelsaft" - dies sind nur einige Slogans der Aktivist/innen, um gegen das geplante Projekt zu protestieren. Spielerischer gestaltete sich eine Protestformation, die innerhalb des städtischen Raums Ausgleichsflächen für das verlorene Kleingartengelände auswies: etwa auf einem Postkasten mit der ironisch gebrochenen Frage "Ist vielleicht auch dies eine städtische Möbel Kraft-Ausgleichsfläche?" Die Markierung von Ausgleichsflächen im Stadtgebiet war deshalb eine höchst wirksame Strategie, weil sie gleichzeitig ironisch und dennoch mit klarer politischer Botschaft wirkte. Die großräumige Anbringung von Blumenampeln im urbanen Raum als Möbel Kraft-Ausgleichsfläche diente der Sichtbarmachung einer urbanen Gegenstimme zu einer als neoliberal und den Interessen vieler Bürgerinnen und Bürger widersprechenden städtischen Bau- und Wirtschaftspolitik. Protest gegen den Neubau eines Möbelhauses, Blumenampel als "Ausgleichsfläche" In den Protesten artikulierten sich auch kulturell kodierte Perspektiven auf Ressourcen, deren Nutzung und deren Zugänglichkeit. Hier wurde städtischer Raum als begrenzte Ressource wahrgenommen, diskursiv verhandelt und schließlich in unterschiedlichen Repräsentationen wie Aufklebern medial inszeniert. Dass soziale Akteure städtischen Raum in dieser Weise als knapp und umkämpft begreifen, mag unter anderem auch an neuen Verständnissen politischer Handlungsräume liegen. Die Protestierenden sind im Sinne Anthony Giddens "knowing subjects" (Giddens 1984: 5), die äußerst reflexiv handeln und argumentieren und dabei Verständnisse und Deutungsmuster begrenzter oder knapper Ressourcen produzierten und popularisierten. 2. Erneuerbare Energie und die Transformation von Knappheit Die Herstellung von Knappheit kennzeichnet auch ein zweites Beispiel (vgl. Tauschek 2015): Karl Heinz Hansen ist der erste Windbauer in Norddeutschland, der aus Windkraft gewonnene Energie an einen Energieversorger verkauft hat. Der Norddeutsche Rundfunk hat Hansen schon in den 1980er Jahren und dann in einem Format mit dem Titel "Zeitreise" 2013 noch einmal porträtiert. Der Filmbeitrag unterstreicht - wie Hansen selbst in seiner biographischen Erinnerung - in erster Linie die ökonomische Dimension beim Bau der Windkraftanlage. Eher zufällig habe Hansen bei einem Ausflug nach Dänemark eine Windmühle gesehen; in der filmischen Inszenierung erinnert sich Hansen, das Ding habe ja "schön ausgesehen". Erst im Gespräch mit dem dortigen Landwirt habe er erfahren, dass sich damit auch Geld verdienen ließe. Der weitere Verlauf dieser retrospektiv als Erfolgsgeschichte erzählten Entwicklung, setzt die Übersetzung einer Idee in Intervention voraus, bei der verschiedene Akteure mitwirken mussten. Im Falle Hansens die zunächst zögerliche Landwirtschaftskammer sowie die föderale Politik, die aus Hansens Idee, eine Windmühle zu bauen, ein Pilotprojekt machte. Den bürokratischen Hürden begegnete Hansen in der Rückschau mit Pragmatismus: "Ich fand das alles zu blöd, ne, zu doof. Lass uns doch einfach bauen und dann kann man doch mal gucken, wie das da läuft", erläutert er im Film. Neben bürokratischen Widerständen schildert Hansen auch soziale Konflikte - etwa, als sein Vater an der Vernunft des Sohns zweifelte und an Enterbung dachte. Finanzielle Unterstützung erhielt Hansen hingegen von der Schwiegermutter aus der Schweiz, die eine überzeugte Vertreterin der Anti-Atomkraft-Bewegung gewesen sei. Heute sei Hansen an fünf Windparks beteiligt - die daraus generierten ökonomischen Gewinne dienen in dieser Lesart als Beleg seines erfolgreichen ökonomischen Handelns. Nicht ohne Selbstironie bewertet Hansen am Ende des Films sein Tun: "Aber es sieht nachher gar nicht mehr so toll aus, wenn alles voll ist mit Windmühlen, ab...

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