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Kulturpessimismus als politische Gefahr

Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland

Erschienen am 09.09.2018
28,00 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608981599
Sprache: Deutsch
Umfang: 474 S.
Format (T/L/B): 3 x 20.5 x 12.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

In seinem wegweisenden, 'klassischen Buch' (Karl Dietrich Bracher) aus dem Jahr 1961 beschreibt Fritz Stern am Beispiel früher ideologischer Vorbereiter des Dritten Reiches den Kulturpessimismus auch als gesamteuropäisches Phänomen. Zugleich zeigt Fritz Stern uns heute die Gefährdungen auf, die den modernen, liberalen und demokratisch verfaßten Gesellschaften aus der Verzweiflung an der Kultur und aus der Ablehnung der kapitalistischen Welt erwachsen. Jetzt endlich wieder auf Deutsch lieferbar!

Autorenportrait

Fritz Stern, geb. am 2. Februar 1926 in Deutschland, emigrierte mit seinen Eltern unter dem Druck der Nazis 1938 in die USA. Er war Professor für Geschichte an der Columbia University und lehrte früher in Paris, Konstanz, an der Yale University und der FU Berlin. 1993/94 war er Berater des damaligen US-Botschafters in Deutschland Richard Holbrooke; 1990 prägte Fritz Stern, während sich in Großbritannien unter Maggie Thatcher Ängste vor einem wiedererstarkenden Deutschland verbreiteten, die Formulierung von der 'zweiten Chance' für das demokratische Deutschland. Kurz vor seinem 90. Geburtstag äußerte Fritz Stern seine große Sorge über den Aufstieg von Donald Trump und den Rechtsruck in europäischen Ländern wie Ungarn, Polen und Österreich und sprach von einem neuen 'Zeitalter der Angst'. Fritz Stern war u.a. Ehrendoktor der Universitäten Oxford und Princeton sowie Mitglied des Ordens Pour le mérite, wurde neben zahlreichen anderen Auszeichnungen 1999 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 2004 mit der Leo-Baeck-Medaille und 2005 mit dem Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung geehrt. Fritz Stern lebte in New York, wo er am 18. Mai 2016 starb.

Leseprobe

Vorwort von Norbert Frei Anfang der fünfziger Jahre war das Wort von der 'deutschen Katastrophe', mit dem Friedrich Meinecke die Erfahrung des 'Dritten Reiches' auf einen für seine Zeitgenossen zwar kritischen, aber halbwegs erträglichen Begriff gebracht zu haben schien, noch in vieler Munde. Doch es stand bereits in Konkurrenz sowohl mit der auf aktuell-politische Parallelen zielenden Totalitarismustheorie als auch mit offen apologetischen Deutungen, nach denen die Deutschen 1933 Opfer eines 'Dämons' geworden waren. Andere, freilich eher im Ausland geläufige Interpretationen knüpften mehr oder weniger grobe Kausalketten und zeichneten Kontinuitätslinien von Hitler zurück auf Bismarck oder gar auf Luther. Die seriöse geistesgeschichtliche Forschung hingegen befand sich, ebenso wie die zeitgeschichtliche Empirie, noch in ihren Anfängen. In dieser Situation begann ein junger Doktorand der Columbia University die Schriften jener 'konservativen Revolutionäre' zu studieren, die, als er 1926 in Breslau geboren wurde, gerade den Höhepunkt ihrer Resonanz erlebten und deren Bedeutung es nun, im Rückblick auf die Zerstörung der Weimarer Demokratie und deren fürchterliche Folgen, genauer zu bestimmen galt. Fritz Stern, seit 1938 in New York, gehörte zu dem kleinen Zirkel hoch motivierter und nicht minder hoch begabter Nachwuchskräfte auf beiden Seiten des Atlantiks, die sich dieser Aufgabe stellten. Aus dezidiert kritisch-liberaler Perspektive entwickelte er eine moderne Ideengeschichte des politischen Ressentiments in Deutschland, ohne sich in den Aporien einer bald so genannten Sonderwegsthese zu verlieren. Sterns hier nach vielen Jahren wieder vorgelegtes Buch, hervorgegangen aus seiner bereits 1953 angenommenen Dissertation, wurde fast schlagartig berühmt. Dazu trug gewiß der griffig-anspruchsvolle Titel bei, unter dem das Werk 1961 in den USA erschien: 'The Politics of Cultural Despair'. Wichtiger aber war am Ende wohl, daß der Autor sich in jugendlicher Kühnheit zu einer wirkungsvollen Beschränkung seines ungeheuren Stoffes entschlossen hatte. Statt auf erschöpfende Vollständigkeit setzte Stern nämlich - ohne darüber die Komplexität seines Arguments zu reduzieren - auf exemplarische Betrachtung: Mit Paul de Lagarde, Julius Langbehn und Arthur Moeller van den Bruck untersuchte er Leben, Werk und Wirkung dreier Vertreter jenes völkisch-nationalen Irrationalismus, der gewiß nicht zwangsläufig, aber noch viel weniger zufällig im 'Dritten Reich' gemündet und gestrandet war. Als das Buch nur zwei Jahre nach der Originalausgabe auch auf Deutsch erschien, bekannte sich sein Titel - wohl vom Verlag ersonnen - zu jenem pädagogischen Charme, den die junge, um ihre akademische Anerkennung durchaus noch ringende Teildisziplin der Zeitgeschichte damals verkörperte: 'Kulturpessimismus als politische Gefahr'. Zusammen mit Kurt Sontheimers fast gleichzeitig veröffentlichter Habilitationsschrift über 'Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik' und wie diese schließlich als Taschenbuch verfügbar, leistete Sterns Studie an Generationen von Studenten geistesgeschichtlichen Aufklärungsdienst. Die Klarheit der Analyse und die Prägnanz des politischen Urteils waren es freilich auch, die beiden Werken anfangs nicht nur Zustimmung eintrugen. So bekundete etwa Sterns Rezensent in der Neuen Politischen Literatur - unfreiwillig höchst beredt -, warum er sich 'eines leisen Unbehagens nicht ganz erwehren' konnte: Die von Fritz Stern herausgestellten Gemeinsamkeiten im ideologischen Habitus seiner Protagonisten und in ihren politischen Anschauungen erschienen dem Kritiker 'entweder so allgemein (.), daß sie für tausend andere Akademiker des gleichen Zeitalters auch gelten würden, oder aber so herbeigezogen (.), daß man die Absicht des Verf. merkt, unbedingt eine Einheitlichkeit der Darstellung dort zu konstruieren, wo der Gegenstand sie im Grunde gar nicht zwingend hergeben muß'. Wem Sterns Interpretation zu sehr zu Lasten der Deutschnationalen und des revolutionären Konservatismus ging, der konzedierte ihm also scheinbar generös, drei 'hervorragende Monographien über drei sicherlich in vieler Hinsicht verwandte Männer' geschrieben zu haben - um im übrigen alle demokratiepolitischen Schlußfolgerungen zu negieren. Aber pure Zustimmung erwartete wohl auch kaum, wer als Intellektueller der 'skeptischen Generation' in den fünfziger und frühen sechziger Jahren in aufklärerischer Absicht über den Nationalsozialismus und seine völkische Vorgeschichte forschte und publizierte. Mochte Stern schon aufgrund seines Selbstverständnisses als Amerikaner, das er als junger Emigrant vergleichsweise leicht und dankbar angenommen hatte, die Entwicklungen im Nachkriegsdeutschland um ein Gran gelassener betrachten als seine dortigen Freunde, so gab er sich doch keinen Illusionen hin: Fritz Stern wußte, wie sein noch um drei Jahre jüngerer Kollege Ralf Dahrendorf im Vorwort zur deutschen Erstausgabe schrieb, daß das 'pathologische Syndrom' des Kulturpessimismus 'älter ist als der Nationalsozialismus und daß es diesen zugleich überlebt hat'. Im Abstand fast eines halben Jahrhunderts und nach über fünfzig Jahren stabiler Demokratie im westlichen Deutschland ist es vielleicht nicht mehr so einfach zu verstehen, was Stern und die ihm Gleichgesinnten damals umtrieb. Doch die Zuversicht, daß Bonn nicht Weimar werde, wie Fritz René Allemann schon 1956 zu wissen glaubte, war unter denen, die mit einem ausgeprägten Sinn für Freiheit und Liberalität auf die frühe Bundesrepublik blickten, nicht ganz so groß wie bei den Robusteren in der Politik und ihren publizistischen Interpreten. Eine Minderheit der kommentierenden Klasse blieb noch lange vorsichtig, und zu ihr zählte zum Beispiel Harry Pross, der Sterns Darstellung für die Zeit besprach: 'Dieses Buch erscheint zur rechten Zeit, denn die hohe Entwicklungsstufe, die Deutschland im Rahmen Westeuropas seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht hat, enthält keine Versicherung gegen Rückfälle. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß in der permanenten Krise, die der Begriff der Wiedervereinigung bezeichnet, Losungen wieder aufkommen werden, die dem Arsenal des Kulturpessimismus entstammen. Sie zu durchschauen, kann dieses dankenswert nüchterne Buch des amerikanischen Historikers wohl helfen.' Wenn Sterns Verlag Alfred Scherz (Bern/Stuttgart) ein solches Zitat in der Anzeigenwerbung verwenden ließ - zeigte das nicht eindrucksvoll, wie sehr zu Anfang der sechziger Jahre doch schon gesellschaftlich akzeptiert, ja erwartet wurde, daß eine moderne Zeit- und Ideengeschichte mit praktischem Sinn und mit Talent zu wohlverstandener politischer Pädagogik zu Werke ging? Die Besten ihres Faches, und Fritz Stern gehörte sogleich dazu, hielten solche Erwartungen nicht nur für völlig legitim; sie entsprachen ihnen aus eigener Überzeugung. Doch diese Bereitschaft, aufklärerisch zu wirken, ging keineswegs zu Lasten der Wissenschaftlichkeit. Mancher Schwerpunkt, den die frühe zeitgeschichtliche Forschung setzte, mag uns heute weniger bedeutsam erscheinen, manche Fragestellung auch überholt - wirklich veraltet jedoch sind die wenigsten ihrer Ergebnisse. Hingegen haben einige der damals entstandenen Arbeiten, entgegen den Unkenrufen derer, die Zeitgeschichte als Wissenschaft seinerzeit noch für unmöglich hielten, längst den Status von Klassikern der Geschichtsschreibung erreicht. Einer dieser Klassiker ist Fritz Sterns 'Kulturpessimismus als politische Gefahr'. Jenseits seiner zeitdiagnostischen Erhellungskraft, die das Buch auch heute noch oder wieder zu entfalten vermag - man denke nur an die in vielen Varianten vazierenden Ideologeme aus Globalisierungskritik, Antisemitismus und antiamerikanischen Affekten -, hat es der in vier Jahrzehnten natürlich weiter vorangetriebenen Detailforschung in bemerkenswerter Weise standgehalten. Zweifellos setzt die Intellectual History gegenwärtig an einigen Punkten andere Akzente. So wird zum Beispiel die Frage der Mod...

Schlagzeile

'Niemand hat so präzise wie Stern den Kulturpessimismus des 19. Jahrhunderts als politische Gefahr beschrieben und in ihm eine mentale Voraussetzung zum Aufkommen des Nationalsozialismus erkannt.' Wolf Lepenies

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