Beschreibung
"Andrew Kaufmans Debüt besticht durch seine verschrobenen Ideen und den eindringlichen Erzählton, rührt durch seine Aufrichtigkeit und reizt durch seine drollige Lebensklugheit." F.A.Z. "Die bezauberndste Liebesgeschichte des Sommers kommt von Andrew Kaufman." Cosmopolitan Alle meine Freunde sind Superhelden ist soooo witzig, übertrieben und surreal wie Liebesgeschichten sich nur selten trauen zu sein." RBB - Radio Fritz
Autorenportrait
Andrew Kaufman ist Autor, Filmemacher und Radioproduzent. Mit seinem ersten Roman »Alle meine Freunde sind Superhelden« gelang ihm ein internationaler Überraschungserfolg. Kaufman lebt mit seiner Familie in Toronto.
Leseprobe
Die innere Wartezone Tom und die Perfektionistin sitzen in der inneren Wartezone von Gate 13, Terminal 2 des Lester B. Pearson International Airport. Es ist zehn Uhr dreizehn. Tom schaut der Perfektionistin beim Überprüfen des Adressanhängers ihres Handgepäcks zu. Das macht sie jetzt schon das dritte Mal. Sie wirft einen Blick in die Runde. Es gibt nicht genug Sitzplätze, manche müssen stehen. Sie kann nicht begreifen, warum sich niemand auf den leeren Platz zu ihrer Rechten setzt. Der Platz zu ihrer Rechten ist nicht leer. Tom sitzt auf diesem Platz. Für die Perfektionistin ist Tom unsichtbar. Seit dem 14. August, dem Tag ihrer Hochzeit, der ein halbes Jahr zurückliegt, versucht er, sich ihr bemerkbar zu machen. Schreiend und flüsternd, per Telefon, Fax, Telegramm und E-Mail. Gemeinsame Freunde bemühen sich, ihr klar zu machen, dass Tom nicht unsichtbar ist. Alle können ihn sehen, nur sie nicht. Für die Perfektionistin ist Tom unsichtbar. In fünfzehn Minuten werden sie an Bord gehen. Flug AC 117 nach Vancouver. Die Perfektionistin weiß nicht, dass Tom neben ihr sitzt. Er berührt ihren Hinterkopf, schon bekommt sie Schluckauf; immer wenn er ihren Kopf berührt, bekommt sie Schluckauf. Berührt er ihr Bein, fängt es an zu zucken, berührt er ihren Rücken, muss sie niesen. Tom zieht die Hand zurück und legt sie auf sein Bein. Der Schluckauf ist vorbei. Ihre Beziehung war nie einfach, denn die Perfektionistin ist eine Superheldin. Ihre besonderen Fähigkeiten bezieht sie aus ihrem Ordnungsdrang. Sie ist so sehr auf Ordnung angewiesen, dass sie sie kraft ihres Willens erzeugen kann. Tom ist kein Superheld, dennoch ist die Perfektionistin nicht die erste Superheldin, die er kennen gelernt hat. Seine erste Superheldinnenliebe hieß Irgendwann. Sie war rothaarig, athletisch gebaut und hatte zwei Superfähigkeiten: eine einmalige Begabung für große Visionen und die unbegrenzte Fähigkeit, alles vor sich her zu schieben. Nie hatte Irgendwann diese Fähigkeiten miteinander kombiniert - bis an jenem Sonntagmorgen, als sie drei Monate mit Tom zusammen war. Sie lagen im Bett. Irgendwann starrte an die Decke. 'Stell dir das mal vor.', begann sie. 'Hmmm', machte Tom und küsste Irgendwanns sommersprossige Schulter. 'Wir heiraten und haben ein Haus. Wir kriegen Kinder.', fuhr sie fort. Tom hörte auf, ihre sommersprossige Schulter zu küssen. Seine Hand erstarrte mitten in der Bewegung. Sie hörten den Kühlschrank summen. 'Irgendwann', schob sie schnell nach. Im selben Augenblick begann sie zu schrumpfen. Und so kam es dann jedes Mal. 'Ich streiche das Badezimmer.', versprach sie etwa. 'Sag es nicht!', schrie Tom. '. irgendwann', fuhr sie fort - und schrumpfte. Jedes Mal, wenn Irgendwann ihre Superfähigkeiten kombinierte, schrumpfte sie, und jedes Mal, wenn sie schrumpfte, schrumpfte sie ein bisschen mehr. Im März, als sie sich kennen gelernt hatten, war Irgendwann 1,60 groß gewesen, im Mai nur noch 1,35. Gegen Ende August maß sie knappe 30 Zentimeter, und ab Oktober schlief sie auf dem Wattepfropf eines Aspirinfläschchens. Das letzte Mal gesehen hatte Tom sie im Dezember, durch ein Mikroskop. Sie stand neben einem Staubpartikel. 'Du fehlst mir, Irgendwann', sagte Tom zu ihr. 'Irgendwann nicht mehr', wisperte sie ihm zu und verschwand. Toms zweite Superheldinnengeliebte, TV-Girl, war seit frühester Kindheit ins Fernsehen vernarrt. Mit den Menschen im Fernsehen kam sie viel besser zurecht als mit den Menschen im wirklichen Leben. Sie sah so viel fern und fühlte so sehr mit den Menschen, die sie im Fernsehen sah, dass sie eine geradezu körperliche Verbindung mit dem Fernsehen einging. Wenn sie weinte, flossen winzige Fernseher über ihre Wangen. Tom war nicht sehr nett zu TV-Girl. Er hatte keinen Fernseher. Er ging zu ihr in die Wohnung und war gemein zu ihr, nur um sie weinen zu sehen. Auf seiner Hochzeit machte er Bekanntschaft mit Sitcom Kid. Tom wusste nicht, dass Sitcom Kid TV-Girls großer Bruder war. Als ihm Tom die Leseprobe