Beschreibung
Am 25. Oktober 2005 betrat Elisabeth Orth das Podium im Kleinen Redoutensaal der Wiener Hofburg. Sie war die letzte Vortragende des Festaktes - 40 Jahre Arbeitsmigration nach Österreich', veranstaltet von der Österreichischen Liga für Menschenrechte. Die meisten ihrer Vorredner brachten die bekannten Gemeinplätze zur Sprache - vom immer schon multikulturellen Österreich, vom Verdienst der Gastarbeiter und wie schön denn das Miteinander von Kulturen sei. Schon nach den ersten Sätzen der Festrede war das multikulturelle Phrasendreschen vergessen: Es geht nicht um Multikulti, es geht um ein Grundrecht, um das Recht auf menschenwürdiges Leben; doch dieses wird in diesem Land immer stärker über Abstammung definiert. Denn: Die Hier Arbeitenden, Aber Nicht Hier Von Hiesigen Geborenen sind lediglich zum Geben verurteilt. Das Nehmen ist hier paradoxerweise dem "Gastgeber" vorbehalten. Die Rede Gast.Fremd.Aus., eindringlich gelesen von Elisabeth Orth, lässt einen erschaudern. Um sie auch oder noch einmal zu hören oder noch jemanden anderen hören zu lassen, gibt die Liga gemeinsam mit dem Wieser Verlag die Texte als Buch und CD heraus.
Autorenportrait
Marlene Streeruwitz geboren in Baden bei Wien, Niederösterreich. Studium der Slawistik und Kunstgeschichte. Freiberufliche Schriftstellerin und Regisseurin. Lebt in Wien. Romane: Verführungen, Nachwelt, Lisa´s Liebe, Jessica 30, Partygirl, sowie diverse Essays, Kurzgeschichten und Theaterstücke.
Leseprobe
Erst 30 Jahre unauffälligen Lebens in Österreich gelten von amtswegen als Nachweis von Integrationswillen. 30 Jahre. Das ist Lebenszeit. Das ist lebensentscheidende Zeit. Diese Zeit müßte in ständiger Unsicherheit zugebracht werden. Wie die letzten Jahre zeigen, findet sich immer wieder eine Möglichkeit, die Exklusivität des Österreicher Seins noch auszubauen. Integration muß geleistet sein, um dann gewährt zu werden. Vielleicht gewährt zu werden. In der Logik der Auswahl über Abstammung muß es bei diffusen Zugangsregelungen bleiben. Die Exklusivität der Abstammung läßt sich ja nur durch solch diffuse, stets veränderbare, rechtlich nie ganz eindeutige und amtlich auslegbare Kriterien der Ausgrenzung aufrechtherhalten. Das Österreicher Sein beschreibt sich ja schließlich an dieser Ausgrenzung. Stellt sich so überhaupt her. Jede Veränderung und jede neue Verschärfung dieser Ausgrenzung bedeutet eine Erneuerung des Österreicher Seins.