Beschreibung
Der Titel des vorliegenden Bandes ist wörtlich zu nehmen: Einem ersten, ,einfachen Durchgang', der den beteiligten Literaturwissenschaftlern im Januar 2009 in Form eines Privatdrucks zur Verfügung gestellt wurde, folgte im November desselben Jahres ein ,zweiter Durchgang', diesmal in Form eines Symposions. Konkret hieß dies, dass die am ,ersten Durchgang' Beteiligten eingeladen wurden, die eigene Arbeit einschließlich der dafür getroffenen Textauswahl im Abstand von z.T. mehreren Jahren nochmals zu reflektieren und sich dem Autor, das Untersuchungsfeld vertiefend oder aber erweiternd, erneut zu nähern. Am Symposion nahm - im Wissenschaftsbetrieb eher unüblich - auch der Autor teil. Im Gespräch mit Friedrich W. Block äußerte Rühm sich zu seinen poetologischen Texten - diese gleichsam im Zustand des Verfertigens vorführend -, zur Notwendigkeit von Kontextwissen (Stichwort ,Kommentarbedürftigkeit'), zu Missverständnissen im Bereich der Rezeption, zum Zusammenhang zwischen seinen Editionsprojekten und seiner eigenen künstlerischen Arbeit, seinem ambivalenten Verhältnis zu Literaturwissenschaft und Literaturkritik und - natürlich! - zur Wiener Gruppe. Ein Zusammenschnitt des Gesprächs ist diesem Band als CD beigegeben. Der hier vorgelegte Doppelte Durchgang enthält Einzeltextanalysen zum literarischen Werk Gerhard Rühms, ergänzt durch zwei typologisch orientierte Untersuchungen zum intermedialen neuen Hörstück und Rühms Poetologie. Zeitlich umfasst das Spektrum der behandelten Texte gut drei Jahrzehnte mit einem deutlichen Schwerpunkt auf dem Frühwerk.
Autorenportrait
Der 1930 in Wien geborene Gerhard Rühm gehört nicht nur zu den wesentlichen Exponenten der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, sondern ist im "gegenwärtigen kulturkritischen Diskurs längst zur Legende stilisiert" (Melitta Becker). Bereits in den 1950er Jahren trug er als Mitbegründer und späterer Chronist der Wiener Gruppe entscheidend dazu bei, nach der autoritär-rückwärtsgewandten Literatur- und Kunstpraxis der NS-Zeit zum einen an die Errungenschaften der historischen Avantgarden - insbesondere des Expressionismus, der Wortkunst des Sturm, der Dada-Bewegung und der Konstruktivisten - anzuknüpfen, zum andern aber an die Tradition des Manierismus und der Barocklyrik, deren verborgene, von der Literaturwissenschaft bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts verkannte Modernität allererst freizulegen war. Nach dem Ende der Wiener Gruppe gelang es Rühm, ein eigenes, unverwechselbares künstlerisches Profil zu entwickeln, ohne das die Geschichte der deutschsprachigen Literatur der Nachkriegszeit nicht mehr geschrieben werden könnte - der Autor Gerhard Rühm ist ein Stück lebender Literaturgeschichte und ein hinreißender, vor Geist und Witz sprühender Vermittler der von ihm gelebten Erfahrung. Dabei suchte und sucht er bis heute die Grenzen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik auf seine spezifische, sehr entschiedene und konzeptuell hochreflektierte Weise auszutesten, indem er sie verschiebt, ins Extreme führt und schließlich synästhetisch im multimedialen Gesamtkunstwerk verschmelzen lässt. Renate Kühn, Jahrgang 1949, ist Professorin für Neuere und neueste Literatur an der Technischen Universität Dortmund. Arbeiten insbesondere zur Frühromantik, zur französischen Nachkriegsavantgarde (Tel Quel u.a.) sowie zur experimentellen deutschsprachigen Literatur. Bei Aisthesis erschienen: Das Rosenbaertlein-Experiment. Studien zum Anagramm (1994); Der poetische Imperativ. Interpretationen experimenteller Lyrik (3. Aufl., 2002); (Hg.:) Friederike Mayröcker oder "das Innere des Sehens". Studien zu Lyrik, Hörspiel und Prosa (2002).
Leseprobe
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Inhalt
* Vorwort * Erster Durchgang * Hermann Bühlbäcker: "The time is out of jointa¿oe. Gerhard Rühms Bühnenstück "kalender für ertrunkenea¿oe * Mathias Märtin: Knochenkomposita. Groteske Körper in Gerhard Rühms "knochenspielzeuga¿oe * Michael Vogt: a¿sSteckenpferda¿¿ : a¿sSitzorganea¿¿. Zu drei Chansons von Gerhard Rühm, Oden ans menschliche Stammhirn * Renate Kühn: "Litaneienfromme Weisen, / Aber wahnsinnswüste Wortea¿oe. Zu Gerhard Rühms "glaubensbekenntnisa¿oe * Martin Maurach: Ordnung der Natur, Störung der Zeichen? Rühms wald, ein deutsches requiem nach 25 Jahren * Friedrich W. Block: Texte zur Kunst: Gerhard Rühms poetologische Schriften * Zweiter Durchgang * Hermann Bühlbäcker: Thusnelda Revisited oder a¿sgefallen auf dem messerfeld der ehrea¿¿. Versuch über den Körper als Schlachtfeld * Mathias Märtin: "a¿sKopf ab mit ihm!a¿¿ oder: a¿sKopf ab mit ihr!a¿¿a¿oe Zwei Kunstmärchen Gerhard Rühms * Renate Kühn: Von Gott- und Menschenfressern. Leibspeisen bei Gerhard Rühm * Michael Vogt: Ein schwieriges Verhältnis: Gerhard Rühm und Felix Austria * Martin Maurach: Zuhören, Zeichen und die Zeit. Einige Überlegungen zu Gerhard Rühms a¿skurzen Hörstückena¿¿ * Literatur * Zu den Autoren * ZUTEXTENZU - Friedrich W. Block im Gespräch mit Gerhard Rühm (CD)