Beschreibung
Wer in das Exil ging, erlebte fast immer eine Identitätskrise; die Parameter des bisherigen Lebens waren durcheinander geraten. Manche Exulanten antworteten darauf mit einem gesteigerten Selbstbewußtsein, andere mit einem Verlust ihres Ichgefühls. Fast alle gerieten in ein eigentümliches Rollendasein; sie definierten ihre eigene Existenz neu, sahen sich andererseits in Rollen gedrängt, die sie um des Überlebens willen annehmen mußten; sie inszenierten, mit anderen Worten, ihr Leben - vor ihrer neuen Umgebung, aber auch vor sich selbst. Die Beiträger des Bandes untersuchen diverse Rollenspiele der Exulanten, die exilbedingte neue Artikulation in der Literatur, im Theater, in der Musik und in den bildenden Künsten. Zur Inszenierung des Lebens gehörten Schriftstellerkongresse wie auch Netzwerke exulierter Komponisten und Schriftsteller, wie sie sich besonders in New York und Los Angeles herausbildeten. Aber einzelne Exulanten inszenierten sich auch vor sich selbst (Else Lasker-Schüler, Mascha Kaléko). Die Vortragsreisen berühmter Exulanten waren ebenso "Inszenierungen" wie die literarischen Hilferufe einzelner Autoren. Ein besonders markantes Beispiel literarischer Inszenierungen des Exils bieten Brechts "Flüchtlingsgespräche". Inszenierungen waren oft aber auch noch die Retrospektiven in den nachträglich verfaßten Autobiographien. Besonderes Gewicht bekommt der Band durch die Beiträge von "Zeitzeugen" (Clemens Kalischer, Egon Schwarz, Guy Stern), die Exil und die Notwendigkeit von "Inszenierungen" persönlich während ihrer Vertreibung erleben mußten. Frido Mann wurde im Exil geboren; sein Beitrag betont die moralische Autorität der Exulanten und schlägt die Brücke zur Gegenwart.
Autorenportrait
Leonie Marx studierte Germanistik, Skandinavistik und Vergleichende Literaturwissenschaft an der University of Illinois und der University of Minnesota. Promotion 1976 an der University of Illinois. Seit 1976 an der University of Kansas (Neuere Deutsche Literaturwissenschaft); Professor ab 1989 und seit 1998 Director of Graduate Studies, Germanistisches Institut der University of Kansas. Gastprofessuren in Deutschland und Dänemark. Forschungsschwerpunkte: Moderne deutsche und dänische Literatur, deutsch-skandinavische Literaturbeziehungen, Exilliteratur, Kurzgeschichte Helmut Koopmann, Studium der Germanistik, Anglistik und Philosophie an den Universitäten Bonn-Münster-Bonn. Promotion 1960, von 1961-1968 Assistent bei Benno von Wiese, 1968 Habilitation. 1969 Professor für Neuere deutsche Philologie an der Universität Bonn, ab 1974 Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Augsburg bis zur Emeritierung 2001. Zahlreiche Gastprofessuren in den USA, Italien, Südafrika, Peking und Indien. 1998 Dr. h. c. der University of Johannesburg. Buchpublikationen zu Goethe, Schiller, Heine, Thomas Mann, Heinrich Mann und zum klassisch-modernen deutschen Roman.