Beschreibung
'Marko Pogacar ist ein Wunder. Es ist nicht völlig klar, wer er ist, wer ihn ersonnen hat und warum, es ist nur offensichtlich, dass er da ist, unabkömmlich', schreibt Tomaz Salamun über den jungen Dichterkollegen, der vielen als 'Rimbaud der kroatischen Poesie' gilt. Mit bisher vier veröffentlichten Gedichtbänden wurde Pogacar binnen kürzester Zeit zur Schlüsselfigur der neuen Lyrikszene Südosteuropas. Sein jüngster Band 'Schwarzes Land' ist eine sinnliche und zugleich geistreiche Auseinandersetzung mit den Bedingungen, unter denen der Mensch Freiheit gewinnt. Geschich- te, so zeigt Pogacar, ist die Aufgabe jedes Einzelnen, eine intime Sache, um die man kämpfen muss - sie ist der 'Raum unter den Fingernägeln'. Aus Motiven der Nacht, des Feuers, des Windes, des Rauchs, des Teers flicht Marko Pogacar ein düster funkelndes Labyrinth der Gegenwart. 'Expeditionen in ein absolutes und radikales Neuland der Metaphern. Eine glühend-obsessive Neuvermessung aller Welt-, Kultur- und Alltagsdinge reißt uns mit: Pathos und Groteske, strömende Kontingenz, schwarze Sirenentöne. So in der Art, denke ich mir, war der Modernitätsschock, der von Hölderlin ausging, von Novalis oder Kleist.' (Andreas Nentwich, Börsenblatt des Deutschen Buchhandels)
Autorenportrait
Marko Pogacar, geb. 1984 in Split, studierte Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft in Zagreb. Er ist Redakteur der Literaturzeitschrift 'Quorum' und des Kulturmagazins 'Zarez'. Seit 2005 veröffentlichte er vier Gedichtbände, drei Essaysammlungen und ein Buch mit Kurzgeschichten. In der Edition Korrespondenzen erschien 2010 sein Gedichtband 'An die verlorenen Hälften'.
Leseprobe
ÜBER DAS SCHLECHTE WETTER Das ist gar kein Frühling. nur Blumen winden sich stumpf aus ihren Kelchen und Bienen besingen das Linoleum und den Teppich des Windes. die Luft, tief und schwer, schleicht unter die Gräser und hebt die Bäuche der Mäuse an: kaum vergeht ein Tag und sie reißen wühlend den Körper wie einen Vorhang auf und verstreuen Knochen und Innereien. das ist gar kein Frühling, nur die Wasser in den Flüssen schwellen an und die Vorratskammern warten darauf, neu gefüllt zu werden. gelegentlich gurren Götter aus den Gräbern, wie Tauben. auch ihr Volk sticht einem anderen Volk die Augen aus, doch nachts, das geschieht nachts. tagsüber sprießt es und die Vögel kehren in die Stadt zurück: Drähte schwer vom Gesang und die Erde fruchtbar vom Kot schnüren die Kehle zu. Hecken kriechen zum Himmel. Kellner tragen Tische hinaus und Fliegen fallen in Gläser. das Grün erlernt schnell die eigene Sprache - das zuverlässige Vokabular der Zypressen, die Buchstaben der Buchen und Birken; sogar die Erde unter den Fingernägeln ist bereit zu blühen. und doch ist das kein Frühling. das ist nichts. es gibt keinen Frühling ohne dich, es soll endlich Schluss es soll endlich Schluss mit den Lügen sein.