Beschreibung
Da sowjetische Exegeten von der Literatur stets 'Geschlossenheit' erwarteten, wurde Anna Achmatowas letztes großes Werk 'Enuma elisch' jahrzehntelang nur stiefmütterlich behandelt. Es galt als nicht wirklich existent, zumindest als unvollendet. Indessen hielt sie es selbst, wie zahlreiche Briefe belegen, für ihre wichtigste Schöpfung, ja, sogar für ihr dichterisches Testament schlechthin. Mit der vorliegenden Übertragung wird der Text zum ersten Mal auch im deutschsprachigen Raum bekannt. 'Enuma elisch' heißt auf Altbabylonisch 'Als droben.' Mit diesen Worten beginnt eine uralte Kosmogonie. Auch in ihrem 'Enuma Elisch' formuliert Achmatowa einen Mythos: den des eigenen Lebens vor dem Hintergrund der Epoche. Dabei treibt sie das bereits im 'Poem ohne Held' erprobte Prinzip der Mystifikation noch auf die Spitze. In scheinbar bruchstückhaften Szenen, Gedichten, Prosapassagen, Tagebucheintragungen und fiktiven Rezensionen besingt sie eine Liebe, die sich über Raum und Zeit erhebt. Die Dichterin selbst erscheint hier als eine große Unbekannte - als X, während die Ableitung X2 ihre 'nächtliche Seite' darstellt. Sie wird zu einer Schlafwandlerin, deren größte Angst es ist, plötzlich aufzuwachen. 'In Taschkent hat mein Poem ohne Held eine Weggefährtin bekommen: das Drama Enuma Elisch, ein Mittelding aus Buffonade und Prophetie, von dem nicht einmal ein Häuflein Asche übriggeblieben ist.'