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Der kleine Frieden im Großen Krieg

Westfront 1914: Als Deutsche, Franzosen und Briten gemeinsam Weihnachten feierten

Erschienen am 17.10.2005
Auch erhältlich als:
9,95 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442153039
Sprache: Deutsch
Umfang: 352 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 18.3 x 12.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Die vielleicht bewegendste Weihnachtsgeschichte der Neuzeit: 1914 nehmen sich die einfachen Soldaten der verfeindeten Seiten die Freiheit zum Waffenstillstand, bevor der blutige Weltkrieg dann doch weitergeht. Bestsellerautor Michael Jürgs erzählt die zeitlos aktuelle Geschichte erstmals umfassend aus deutscher Sicht nach.

Leseprobe

Anfangs ist es nur einer, der »Stille Nacht, Heilige Nacht« vor sich hin singt. Leise klingt die Weise von Christi Geburt, verloren schwebt sie in der toten Landschaft Flanderns. Doch dann brandet Gesang wie eine Welle übers Feld, »um Schulterwehr und Schulterwehr und von der ganzen langen dunklen Linie der Schützengräben klang es empor: >Schlafe in himmlischer Ruh'<«. Diesseits des Feldes, hundert Meter entfernt, in den Stellungen der Briten, bleibt es ruhig. Die deutschen Soldaten aber sind in Stimmung, Lied um Lied ertönt ein Konzert aus »Tausenden von Männerkehlen rechts und links«, bis denen nach »Es ist ein Ros entsprungen« die Luft ausgeht. Als der letzte Ton verklungen ist, warten die drüben noch eine Minute, dann beginnen sie zu klatschen und »Good, old Fritz« zu rufen, und: »Encore, encore«, »More, more«. Zugabe, Zugabe. Die derart hoch gelobten Fritzens antworten mit »Merry Christmas, Englishmen« und »We not shoot, you not shoot«, und was sie da rufen, das meinen sie ernst. Sie stellen auf den Spitzen ihrer Brustwehren, die fast einen Meter über den Rand der Gräben ragen, Kerzen auf und zünden sie an. Bald flackern die, aufgereihten Perlen gleich, durch die Finsternis. Wie das Rampenlicht eines Theaters habe es ausgesehen, wird ein englischer Soldat seinen Eltern schreiben, like the footlights of a theatre. Die Bühne für die Inszenierung ist damit ausgeleuchtet, die Generalprobe für ein Stück gelungen, das an den nächsten Tagen an der Westfront gegeben wird. Hier und dort und überall von der Nordsee bis zur Schweizer Grenze. Der Intendant oben in seiner himmlischen Loge hatte für Flandern beste äußere Bedingungen geschaffen. Nach Einbruch der Dunkelheit an diesem 24. Dezember 1914 - und dunkel ist es bereits gegen sechzehn Uhr - verzog sich der Wind. Klarer Sternenhimmel »grüßte uns von der Wohnung des Allmächtigen herab«, und der Vollmond »verlieh der weiten, schönen flandrischen Rembrandtlandschaft durch sein mildes Licht das Gepräge wohltuenden Friedens«. Beides hilft jetzt, der Mond und die Kerzen. Jede verdächtige Bewegung im Niemandsland wäre sichtbar. Ehre sei Gott in der Höhe, Friede den Menschen auf Erden, verkündet das Evangelium für diesen Tag. Aber in offenbar gewordener Abwesenheit eines Höheren auf Erden beschließen Deutsche und Briten spontan, Franzosen und Belgier zögernd, an Weihnachten, ohne auf Gottes Segen zu warten, nicht aufeinander zu schießen. Einen solchen Frieden von unten gab es noch nie in der Geschichte eines Krieges. Es hat niemals wieder einen gegeben. Diese - aus heutiger Perspektive betrachtet - große Weihnachtsgeschichte besteht aus vielen kleinen Geschichten. Man muss sie alle erzählen. Nur dann wirkt das Wunder. Zunächst verwirren die Lichter den Gegner. Sie trauen dem Frieden nicht. Mal wieder so ein gemeiner Trick der Hunnen? Wieder so eine hinterlistige Täuschung? Frisch ist die Erinnerung an jenen Tag vor ein paar Wochen, als sich ein Trupp Deutscher in Sichtweite der Engländer auf den Boden warf und die Waffen von sich streckte. Daraufhin senkten die Briten ihrerseits die Waffen und gingen auf die Männer zu. Plötzlich tauchten hinter den scheinbar Kriegsmüden aus dem Unterstand Soldaten auf, Pickelhauben festgezurrt, Gewehr angelegt, Mord im Blick. Preußen. Sie wurden ihrem Ruf gerecht, gnadenlos zu sein. Dutzende von Tommys lagen innerhalb weniger Augenblicke tot vor den Stacheldrahtverhauen. Ein Kriegszeichner namens Matania stellte nach Angaben des Augenzeugen Sergeant Megarry die Situation nach. Die Londoner Zeitschrift »The Sphere« druckte sie doppelseitig. Niemals würden Engländer so unfair handeln, egal aus welcher Schicht sie stammten, lautete die dazu als Bildunterschrift veröffentlichte Meinung, die sich mit der öffentlichen deckte. Auf Menschen ganz offensichtlich guten Willens zu schießen, weil die eine andere Uniform trügen, weil Krieg herrsche, sei unmenschlich. So was Gemeines passe nicht zum britischen Volkscharakter. Wenn es derart simpel wäre, dann hä

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