Beschreibung
"Für alle, die ohne schlechtes Gewissen durchs Leben kommen wollen: Rainer Erlinger erklärt richtiges und falsches Verhalten im Alltag aus ethischer und philosophischer Sicht." Neues Deutschland "Ein guter Mensch sein? Wenn das von alleine nicht klappt, kann man sich seit ein paar Jahren dabei helfen lassen, alles richtig zu machen, und sich in praktischen oder theoretischen Fragen über Moral und Ethik, Recht und Unrecht an den Juristen und Mediziner Rainer Erlinger wenden." rbb Radio eins
Autorenportrait
Rainer Erlinger, geboren 1965, ist promovierter Mediziner und Jurist. Als Autor, vor allem auf den Gebieten des Medizinrechts und der Ethik, schreibt er Bücher, Rundfunk- und Fernsehbeiträge und hält Vorträge zu medizinisch-rechtlichen und ethischen Frage
Leseprobe
Nach dem Tod meiner Mutter fand ich unter ihren Sachen ein Tagebuch. Auf dem Umschlag steht »Nach meinem Tod zu vernichten«. Muss ich diesem Wunsch folgen, oder darf ich die Aufzeichnungen meiner Mutter lesen? CLAUDIA S., MÜNCHEN In Die Tante Jolesch, einem meiner Lieblingsbücher, berichtet Friedrich Torberg über die legendären »Krautfleckerln« ebenjener Tante. Sie seien in der gesamten Verwandtschaft über alle Maßen geschätzt gewesen und hätten, sobald angekündigt, einen Strom von Krautfleckerl-Liebhabern aus allen Teilen der Monarchie bis aus den entlegensten Winkeln der Puszta ausgelöst. Jahrelang habe man versucht, der Tante Jolesch das Rezept zu entlocken. Umsonst. Am Sterbebett der Wunderköchin habe sich schließlich ihre Lieblingsnichte Louise ein Herz gefasst und einen letzten Anlauf gewagt: »Tante - ins Grab kannst du das Rezept ja doch nicht mitnehmen. Willst du es uns nicht hinterlassen? Willst du uns nicht endlich sagen, wieso deine Krautfleckerln immer so gut waren?« Mit letzter Kraft habe sich die Tante Jolesch ein wenig aufgerichtet: »Weil ich nie genug gemacht hab.« Sprach's, lächelte und verschied. So Torberg. Die sagenhafte Tante hatte es sich in letzter Sekunde anders überlegt und ihr Geheimnis preisgegeben, weil sie es »nicht mit ins Grab nehmen« wollte. Gilt das vielleicht dann auch für die Aufzeichnungen Ihrer Mutter? Ich finde: Nein. Es war die Tante selbst, die sich entschloss, das bislang Gehütete zu offenbaren. Ihr stand die Entscheidung zu, nicht den Verwandten, wollten diese auch noch so sehr dem Geheimnis auf die Spur kommen. Den Ausschlag gibt für mich letztlich ein weiterer Aspekt: Tagebücher besitzen - anders als Kochrezepte - einen hohen Stellenwert in Bezug auf die Persönlichkeit des Menschen, welche nicht mit dem Tod untergeht. Der Trierer Soziologe Alois Hahn hat nachgewiesen, dass das Tagebuch im Gefolge der Reformation vor allem vom Calvinismus als Mittel zur Gewissensprüfung gefordert wurde und somit die Funktion einer »Beichte ohne Beichtvater« erfüllt. Das Beichtgeheimnis jedoch gilt nicht umsonst als »heilig«. Die Anweisung Ihrer Mutter legt nahe, dass auch für sie die Aufzeichnungen ihrer eigenen Reflexion, nicht der Information der Nachwelt dienten. Solange Sie keine dem widersprechenden Gesichtspunkte finden - Neugier allein zählt hier nicht -, sollten Sie daher den Wunsch respektieren. Friedrich Torberg, Die Tante Jolesch, dtv 1977, gebundene Ausgabe Langen/Müller 1996, einbändige Sonderausgabe zusammen mit Die Erben der Tante Jolesch, Langen/Müller 2008 Eine sehr schöne Hörbuchausgabe, gelesen vom Autor, ist in Zusammenarbeit mit dem ORF bei Langen/Müller Audiobook erschienen Alois Hahn, Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalisierter Bekenntnisse: Selbstthematisierung und Zivilisationsprozess, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 34,1982: 407-434 Lesenswert in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen des Beschuldigten im Strafverfahren in der amtlichen Sammlung BVerfGE 80, S. 367-383, sowie die Besprechungen dieses Urteils und des zugrunde liegenden Urteils des Bundesgerichtshofs von KNUT AMELUNG in Neue Juristische Wochenschrift 1988,S. 1002-1006 und 1990,S. 1753-1760 Friedrich Torberg erklärt Krautfleckerln im Zusammenhang mit der Geschichte der Tante Jolesch folgendermaßen: »Jene köstliche, aus kleingeschnittenen Teigbändern und kleingehacktem Kraut zurechtgebackene >Mehlspeis<, die je nachdem zum Süßlichen oder Pikanten hin nuanciert werden konnte: in der ungarischen Reichshälfte bestreute man sie mit Staubzucker, in der österreichischen mit Pfeffer und Salz.« Es existiert eine Fülle von Rezeptvarianten, eine bewährte, angelehnt an das erstmals 1913 erschienene Standarwerk Wiener Küche von Olga und Adolf Hess, neu aufgelegt 2001 im Deuticke Verlag, lautet: Einen Krautkopf (ca. 600 g) nach Entfernen des Strunks in kleine Quadrate (Fleckerl Leseprobe