Beschreibung
Als Peter Scholl-Latour in einer Kolumne den "Steinzeit-Islam" der Taliban anklagte und die CIA beschuldigte, diesen menschenverachtenden "Horden" die Herrschaft über Afghanistan zugesprochen zu haben, schrieb man den 4. Juli 2000. Aus heutiger Sicht liest sich nicht nur dieser Artikel des weltbekannten Journalisten geradezu visionär. Scholl-Latour, der nach dem Anschlag am 11. September 2001 wieder einmal zu einem der begehrtesten Gesprächspartner nicht nur der deutschen Medien avancierte, warnt aus seiner intimen Kenntnis des Islam bereits seit vielen Jahren davor, dass die "Angst vor der moslemischen Kultur übertrieben und gefährlich" und dass auch der Westen vor Gewaltexzessen nicht gefeit sei. Im Gegenteil, speziell die USA würden mit ihrer kurzsichtigen Politik im Stile eines Wildwest-Kapitalismus "bluttriefenden Heilslehren" Vorschub leisten. Die Themen seiner hier versammelten Beiträge reichen von der Globalisierung des Terrors, von den Krisenherden in Asien und Afrika über den "modernen Indianerkrieg" im Kosovo bis zu "Putin dem Großen". Dabei schreibt Scholl-Latour nie aus der Abgeschiedenheit der Redaktionsstube, er berichtet vor Ort aus den zerstörten Kriegsstädten des Balkans und aus den Bergen Afghanistans. Wohlfeile Politikerreden entlarvt er als schamlose Heuchelei, die von einer Globalisierung politischer Kultur weit entfernt ist. Sein immenses Wissen verbindet er mit exakter Recherche und einem geradezu prophetischen Urteil.
Autorenportrait
Peter Scholl-Latour wurde 1924 in Bochum geboren. Neben einer Promotion an der Sorbonne und dem Diplom des Institut National des Sciences Politiques in Paris erwarb er an der Libanesischen Universität Beirut das Diplom für arabische und islamische Studien. Seit 1950 arbeitet er als Journalist, u. a. viele Jahre als Korrespondent in Afrika und Indochina, als Studioleiter in Paris, als Fernsehdirektor des WDR, als Herausgeber des "Stern". Zu seinen größten Erfolgen als Buchautor zählen die Bestseller "Der Tod im Reisfeld" (1980), "Der Wahn vom Himmlischen Frieden" (1990), "Eine Welt in Auflösung" (1993), "Das Schlachtfeld der Zukunft" (1996) und "Lügen im Heiligen Land" (1998). Mit dem vorliegenden Buch schließt sich thematisch der Kreis zu einem seiner frühen und wichtigsten Werke: "Mord am großen Fluß - Ein Vierteljahrhundert afrikanische Unabhängigkeit" (1986).
Leseprobe
Erfahrungen im Krieg 27. Juni 1999 Der französische Indochina-Krieg, der bei den Linksparteien im Mutterland als 'sale guerre' - als schmutziger Krieg - verschrien war, steckte für das Häuflein Korrespondenten, die damals von Hanoi ausschwärmten, voller Tücken. Aber irgendwie nahmen wir diese Gefahren nicht so recht wahr. Viele französische Reporter hatten vorher selbst in der Fernost-Armee gedient und setzten sich den gleichen Risiken aus wie die kämpfende Truppe. Man fuhr im Jeep über unsägliche Schlammpisten in die Gefechtszone bei Vinh Yen und schob sich zum Schutz gegen Minenexplosionen einen Sandsack unter den Hintern. Im Fall von Verwundungen im Dschungel stand damals kein einziger Hubschrauber zum Abtransport zur Verfügung. Ich war nicht einmal in irgendeiner Form versichert. Ab 1951 kamen auch amerikanische Kollegen hinzu, und wir wußten ohnehin, daß der Krieg, der sich noch bis 1954 hinschleppen sollte, verloren war. Die Volksbefreiungs-Armee Mao Tse-tungs hatte nämlich die Nordgrenze von Französisch-Indochina erreicht. Mir war es damals vergönnt, den äußersten verbliebenen Außenposten unter der Trikolore am Rande von Yünan an Bord einer Ju 52 zu erreichen und von dort aus in Begleitung eines französischen Oberst und eines Trupps Thai-Partisanen nach Norden zu reiten. 'Wenn Sie wollen, können Sie ein Stück nach China vordringen', hatte der Colonel gesagt; 'dort drüben gibt es noch ein paar Kuomintang-Partisanen, die wir unterstützen.' In Wirklichkeit waren sie mehr Banditen als Freiheitskämpfer, und ich war froh, als ich mit meinem Thai-Dolmetscher im Galopp wieder den Grenzfluß Nam Kum erreichte. Das war das einzige journalistische Unternehmen, bei dem ich eine Waffe getragen habe. Die Nacht des französischen Waffenstillstandes habe ich im Reisfeld etwa 100 Kilometer südlich von Hanoi verbracht. Die Soldaten des dortigen Regiments der Kolonial-Infanterie hatten zu meinem Schutz eine rechteckige Grube ausgehoben, wo ich auf einem Feldbett wie in einem Grab schlief, soweit das die Artillerie des Vietminh erlaubte. Die Partisanen Ho Tschi Minhs schossen aus allen Richtungen, feierten ihren Sieg in Erwartung der nahen Feuereinstellung. Am nächsten Morgen verabschiedete mich der französische Kommandant mit den Worten: 'In Nord-Afrika sehen wir uns demnächst wieder.' Auf der Rückfahrt nach Hanoi passierten wir mehrere brennende Lastwagen, die auf Minen gefahren waren. Der AlgerienFeldzug der Franzosen war ein wenig rühmliches Kapitel der auslaufenden KolonialEpoche. Das Land war weitgehend 'pazifiziert', und man konnte sich über weite Strecken ohne Geleitschutz bewegen. Der Terror beschränkte sich im wesentlichen auf Bombenanschläge in den Städten oder auf blutige Gemetzel in der Kabylei und im AuresGebirge, wo die Algerier der Befreiungsfront und die auf französischer Seite kämpfenden 'Harki' sich wie beim Schlachten von Hammeln die Gurgeln aufschnitten zum sogenannten 'sourire berbère', zum 'Lächeln der Berber', wie man damals etwas zynisch sagte. Mit zwei Zügen Fallschirmjägern und Fremdenlegionären habe ich im AkfaduWald, im Herzen der Kabylei, aus dem Hubschrauber springend, die Vernichtung einer algerischen 'Katiba' aus unmittelbarer Nähe miterlebt, und ich entzifferte auf der grünen Uniformjacke des getöteten Unterführers der 'Befreiungsfront' jenen KoranSpruch, der für mich fortan zum Leitmotiv wurde: 'Allah ist mit den Standhaften.' Der wirkliche Totentanz für die Europäer von Algier begann erst, als die Generäle gegen de Gaulle putschten und die TerrorOrganisation OAS neben dem wahllosen Mord vermutlicher Gegner auch zur Geiselnahme von Journalisten überging. Dem außer Rand und Band geratenen Kongo der frühen 60er Jahre blieb es vorbehalten, den Romantitel Joseph Conrads, 'Das Herz der Finsternis', mit aktuellem Inhalt auszufüllen. Den Stammeskriegen Afrikas war die multinationale 'Ordnungsmacht' der Blauhelme Dag Hammarskjölds in keiner Weise gewachsen. Italienische Piloten der Uno, die für verh Leseprobe