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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783630872964
Sprache: Deutsch
Umfang: 589 S.
Format (T/L/B): 4.5 x 22 x 15 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Die Geschichte eines stummen Kindes, das sein Leben erfinden muss, um sein Glück zu machen 'Die Erfindung des Lebens' ist die Geschichte eines jungen Mannes von seinen Kinderjahren bis zu seinen ersten Erfolgen als Schriftsteller. Als einziges überlebendes Kind seiner Eltern, die im Zweiten Weltkrieg und der Zeit danach vier Söhne verloren haben, wächst er in Köln auf. Die Mutter ist stumm geworden, und auch ihr letzter Sohn lebt zunächst stumm an ihrer Seite. Nach Jahren erst kann er sich aus der Umklammerung der Familie lösen, in Rom eine Karriere als Pianist beginnen und nach deren Scheitern mit dem Schreiben sein Glück zu machen versuchen In seinem neuen, autobiographisch inspirierten Roman erzählt Hanns-Josef Ortheil die Geschichte eines jahrelang stummen Kindes, dessen Eltern im Krieg und in der Nachkriegszeit vier Söhne verloren haben. Zusammen mit der ebenfalls stummen Mutter wächst es in einer künstlichen Schutzzone auf, aus der es sich erst langsam durch das geliebte Klavierspiel und den unorthodoxen Sprachunterricht des Vaters befreien kann. Doch die Befreiung ist schmerzhaft. Sie führt den Jungen auf lange, einsame Reisen durch Deutschland und in einem letzten Befreiungsakt schließlich nach Rom. Dort wird er ein erfolgreicher Pianist, der Freundschaften schließt und sogar ein Liebesverhältnis eingeht. Diese Bindungen aber zerreißen, und auch die Pianistenkarriere muss aufgegeben werden. Nach der Rückkehr nach Deutschland macht ihm ein früherer Lehrer den faszinierenden Vorschlag, es mit dem Schreiben zu versuchen In Anlehnung an die großen Bildungsromane der deutschen Literatur entwirft dieser auch historisch weit ausholende Roman eine Biographie, die nach jedem Rückschlag wieder ganz neu erfunden werden muss. Entstanden ist dabei die ergreifende Geschichte von einem jungen Pianisten und späteren Schriftsteller, deren am Ende glücklicher Verlauf an ein Wunder grenzt.

Autorenportrait

Hanns-Josef Ortheil wurde 1951 in Köln geboren. Er ist Schriftsteller, Pianist und Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Seit vielen Jahren gehört er zu den beliebtesten und meistgelesenen deutschen Autoren der Gegenwart. Sein Werk wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Thomas-Mann-Preis, dem Nicolas-Born-Preis, dem Stefan-Andres-Preis und dem Hannelore-Greve-Literaturpreis. Seine Romane wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt.

Leseprobe

DAMALS, IN meinen fr?hen Kindertagen, sa?ich am Nachmittag oft mit hoch gezogenen Knien auf dem Fensterbrett, den Kopf dicht an die Scheibe gelehnt, und schaute hinunter auf den gro?n, ovalen Platz vor unserem K?lner Wohnhaus. Ein Vogelschwarm kreiste weit oben in gleichm?gen Runden, senkte sich langsam und stieg dann wieder ins letzte, verblassende Licht. Unten auf dem Platz spielten noch einige Kinder, m?de geworden und lustlos. Ich wartete auf Vater, der bald kommen w?rde, ich wusste genau, wo er auftauchte, denn er erschien meist in einer schmalen Stra?n?ffnung zwischen den hohen H?ern schr?gegen?ber, in einem langen Mantel, die Aktentasche unter dem Arm. Jedes Mal sah er gleich hinauf zu meinem Fenster, und wenn er mich erkannte, blieb er einen Moment stehen und winkte. Mit hoch erhobener Hand winkte er mir zu, und jedes Mal winkte ich zur?ck und sprang wenig sp?r vom Fensterbrett hinab auf den Boden. Dann behielt ich ihn fest im Blick, wie er den ovalen Platz ?berquerte und sich dem Haus n?rte, er schaute immer wieder zu mir hinauf, und jedes Mal ging beim Hinaufschauen ein Lachen durch sein Gesicht. Wenn er nur noch wenige Meter von unserem Haus entfernt war, eilte ich zur Wohnungst?r und wartete darauf, dass sich die schwere Haust?r ?ffnete. Ich blieb im Flur stehen, bis Vater oben bei mir angekommen war, meist packte er mich sofort mit beiden Armen, hob mich hoch und dr?ckte mich fest. F?r einen Moment fl?chtete ich mich in seinen schweren Mantel, schloss die Augen und machte mich klein, dann gingen wir zusammen in die Wohnung, wo Vater den Mantel auszog und die Tasche ablegte, um nach Mutter zu schauen. Das Erste, was er in der Wohnung tat, war jedes Mal, nach Mutter zu schauen. Wo war sie? Ging es ihr gut? Sie sa?meist im Wohnzimmer, in der N? des Fensters, heute kommt es mir beinahe so vor, als habe sie in all meinen ersten Kinderjahren ununterbrochen dort gesessen. Kaum ein anderes Bild habe ich aus dieser Zeit so genau in Erinnerung wie dieses: Mutter hat den schweren Sessel schr?vor das Fenster ger?ckt und die helle Gardine beiseite geschoben. Neben dem Sessel steht ein rundes, samtbezogenes Tischchen, darauf eine Kanne mit Tee und eine winzige Tasse, Mutter liest. Oft liest sie lange Zeit, ohne sich einmal zu r?hren, und oft schleiche ich mich in diesen stillen Leseraum, ohne dass sie mich bemerkt. Ich kauere mich leise irgendwohin, gegen eine Wand oder vor das gro? B?cherregal, ich warte. Irgendwann wird sie etwas Tee trinken und von ihrer Lekt?re aufschauen, das ist der Moment, in dem sie auf mich aufmerksam wird. Sie schaut etwas erstaunt, ich schaue zur?ck, ich versuche, herauszubekommen, ob ich mich zu ihr ans Fenster setzen darf. Manchmal ging es ihr damals nicht gut, ich sp?rte es bereits am fr?hen Morgen, weil sie alles in einer anderen Reihenfolge als sonst tat und sich zwischendurch h?ig ausruhte. Dann hatte ich sie den ganzen Tag, vom fr?hen Morgen bis in die Nacht, im Blick. Meist aber beobachteten wir beide zugleich, was der andere jeweils gerade tat, denn wir beide, Mutter und ich, geh?rten damals so eng zusammen wie sonst kaum zwei andere Menschen. Das jedenfalls glaubte ich fest, ja, ich wei?noch genau, dass ich manchmal sogar glaubte, nichts k?nnte uns beide je trennen, niemand, nichts auf der Welt. Am fr?hen Abend aber kam Vater, und Vater geh?rte noch hinzu zu uns beiden. Er war der Dritte im Bunde, er verlie?die gemeinsame Wohnung am fr?hen Morgen und war oft den ganzen Tag lang in der freien Natur unterwegs. Vater arbeitete als Vermessungsingenieur f?r die Bahn, und wenn er am Abend nach Hause kam, schaute er zuerst, wie es um uns beide so stand. Nach dem Ablegen von Mantel und Tasche ging er hin?ber zu Mutter, er beugte sich etwas zu ihr herunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Einen kleinen Moment hielt sie sich an ihm fest, und es sah so aus, als klammerten sich die beiden eng aneinander. Doch sp?stens, wenn Vater zu sprechen begann, l?sten sie sich wieder aus der kurzen Leseprobe
Leseprobe

Schlagzeile

Erscheint lt. Verlag am 14.09.2009

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