Beschreibung
In Jodis und Todds Ehe kriselt es. Viel steht auf dem Spiel, auch das angenehme Leben, das sich die beiden aufgebaut haben in ihrem luxuriösen Apartment mit Seeblick in Chicago. Doch ihre Beziehung rast geradewegs auf einen mörderischen Abgrund zu: Er, der systematische Betrüger und sie, die stillschweigende Verletzte. Die schwindelerregend fesselnde Geschichte einer verhängnisvollen Partnerschaft, die in den USA zu einem großen Überraschungserfolg wurde.
Leseprobe
1 Sie Es ist Anfang September, und Jodi Brett steht in ihrer Küche, um das Abendessen zuzubereiten. Dank des offenen Wohnbereichs der Eigentumswohnung hat sie freie Sicht durch das Wohnzimmer bis zu den nach Osten gehenden Fenstern und dahinter auf den See und den Himmel, die vom Abendlicht in ein ebenmäßiges Blau getaucht sind. Die dünn gezeichnete, etwas dunklere Linie des Horizonts scheint zum Greifen nah. Sie mag diesen präzisen Bogen, der sie wie ein Ring umgibt. Das Gefühl der Distanz liebt sie am meisten an ihrem Leben hier oben in ihrem Adlerhorst im 27. Stock. Mit fünfundvierzig Jahren sieht Jodi sich immer noch als junge Frau. Sie richtet den Blick nicht so sehr auf die Zukunft, sondern lebt ganz im Moment und konzentriert sich auf ihren Alltag. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, geht sie davon aus, dass die Dinge einfach auf unbestimmte Zeit auf ihre unperfekte, jedoch völlig akzeptable Art weitergehen werden. Mit anderen Worten: Sie ist sich absolut nicht der Tatsache bewusst, dass ihr sich ihr Leben gerade auf dem Höhepunkt befindet und ihre jugendliche Unverwüstlichkeit - die ihre zwanzigjährige Ehe mit Todd Gilbert langsam erschöpft hat - dem endgültigen Verfall entgegen steuert und dass ihre Vorstellung davon, wer sie ist und wie sie sich zu verhalten hat, sehr viel instabiler sind als sie es bisher vermutet hat. Denn es wird nur noch wenige Monate dauern, bis sie zur Mörderin wird. Wenn ihr das jemand jetzt erzählt, würde sie ihm nicht glauben. Mord ist in ihrem Vokabular bloß ein Wort, ein Konzept ohne Bedeutung, ein Thema aus den Nachrichten, das nur Leute betrifft, die sie nicht kennt und denen sie nie begegnen wird. Häusliche Gewalt ist ihr besonders fremd. Dass die alltägliche Reibung in einer Familie sich so heftig entlädt? Es gibt gute Gründe für ihr Unverständnis, selbst wenn man über ihre gewohnte Selbstkontrolle hinwegsieht. Sie ist keine Idealistin und glaubt daran, gute wie schlechte Zeiten hinnehmen zu müssen; sie lässt sich nicht zum Streit provozieren und nicht ködern. Der Hund, ein Golden Retriever mit seidig goldenem Fell, sitzt vor ihren Füßen, während sie das Gemüse schnippelt. Gelegentlich wirft sie ihm ein Stückchen Karotte zu, das er in die Schnauze nimmt und fröhlich zwischen den Backenzähnen zermalmt. Das Werfen von Gemüse ist ein lange gepflegtes Vorabendritual, das der Hund und sie aufgenommen haben, als sie ihn als pummeligen Welpen mit nach Hause brachte, um Todd damit von seiner Sehnsucht nach Nachwuchs abzulenken, die offensichtlich über Nacht kurz nach seinem vierzigsten Geburtstag aufkam. Sie nannte den Hund Freud, in froher Erwartung auf den Spaß, den sie sich auf Kosten seines Namensvetters machen konnte, jenem Frauenhasser also, den sie an der Universität so ernstnehmen musste. Freud hat Blähungen, Freud frisst Müll, Freud jagt seinem Schwanz nach. Der Hund ist unendlich gutmütig und es stört ihn überhaupt nicht, dass über ihn gelacht wird. Wenn sie Gemüse schnippelt und Kräuter hackt, wirft sie sich mit dem ganzen Körper in diese Aufgabe. Sie liebt die Intensität des Kochens. Die Bereitwilligkeit der Gasflamme, der Wecker, der die Minuten vertickt, die Unmittelbarkeit des Ergebnisses. Sie ist sich der Stille jenseits der Küche bewusst, und alles steuert zielsicher auf den Zeitpunkt zu, wenn sie seinen Schlüssel im Schloss hört. Ein Ereignis, das sie immer mit großer Freude erwartet. Es ist jedes Mal ein Ereignis, wenn sie das Abendessen für Todd zubereitet, und sie staunt noch heute über das Wunder, das ihn einst in ihr Leben gebracht hat. Ein so unwahrscheinlicher Glücksfall, der zunächst keinesfalls auf eine nähere Bekanntschaft hindeutete und schon gar nicht auf eine Zukunft mit so köstlichen Mahlzeiten, die sie liebevoll herrichtete. Es passierte an einem regnerischen Morgen im Frühling. Sie war vollauf damit beschäftigt, ihr Aufbaustudium in Psychologie und das abendliche Kellnern unter einen Hut zu bringen. Sie war überarbeitet und erschöpft und zog wied