Beschreibung
Südafrika, 1938-1968. Persomi ist ein tapferes, kluges Mädchen, das als Tochter einer weißen Familie in Südafrika in großer Armut aufwächst. Doch in der Schule macht ihr so schnell keiner etwas vor. Und so hofft sie, ihrer Herkunft eines Tages entfliehen zu können. Als Persomi in einem Prozess gegen den Mann aussagen muss, der behauptet, ihr Vater zu sein, fragt sie sich zum ersten Mal, ob das Gesetz auch für arme Menschen gilt. In ihr erwacht der Traum, Jura zu studieren ...
Autorenportrait
Irma Joubert lebt in Südafrika. Sie studierte Geschichte an der Universität von Pretoria und war fünfunddreißig Jahre lang Lehrerin an einem Gymnasium. Nach ihrer Pensionierung begann sie mit dem Schreiben. Die Historikerin liebt es, gründlich zu recherchieren und ihre Romane mit detailreichen Fakten zu untermauern. In ihrer Heimat und den Niederlanden haben sich ihre historischen Romane zu Bestsellern entwickelt und sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden.
Leseprobe
1. Kapitel Juli 1938 "Gerbrand will mit der Schule aufhören und sich eine Arbeit suchen." "Und was hat das mit dir zu tun, Jemina?" "Das ist ein gescheiter Bursche. Der muss unbedingt seinen Schulabschluss machen." "Und was willst du jetzt tun?" "Ich brauche Geld. Damit ich ihn in der Schule lassen kann." "Das hätte ich mir denken können. Von mir bekommst du keinen Cent mehr, hast du verstanden?" "Aber du hast doch gesagt." "Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich mit deinen anderen Kindern nichts zu schaffen haben möchte. Und jetzt verschwinde! Du weißt genau, was wir besprochen haben." Pérsomi ist elf Jahre alt, als Gerbrand an einem Wintermorgen mir nichts dir nichts sagt: "Mama, ich fahre nach Johannesburg und gehe mir eine Arbeit suchen." Pérsomi ist draußen in der matten Wintersonne. In der Nähe der Hintertür lehnt sie mit dem Rücken an der Mauer und drückt ihre nackten Zehen in den grauen Sand. Gerbrand steht in der Türöffnung, nur einen Schritt von ihr entfernt. Wenn sie ihre Hand ausstreckt, kann sie ihn berühren. Doch das macht sie nicht, denn Gerbrand kann das Gefummel nicht leiden. Das weiß sie, weil er und Piet sich zum Schlafen eine Matratze teilen müssen. Wenn Piet ihm zufällig zu nahe kommt, versetzt ihm Gerbrand sofort einen kräftigen Tritt. Piet ist zwar älter, aber Gerbrand ist der Stärkere. "Ach du liebe Güte, Gerbrand, geh lieber Wasser holen und hör auf mit dem Geschwätz", fordert seine Mutter ihn auf. Das Baby ist heute wieder einmal sehr quengelig und Gertjie hat die ganze Nacht wachgelegen und gehustet. Mutter ist todmüde und hat keine Lust auf irgendwelche Flausen. Ohne ein Wort zu sagen, dreht Gerbrand sich um, lässt aber den Eimer stehen. Er hat ein orangefarbenes Netz in der Hand, so eines, in dem Herr Fourie seine Apfelsinen verkauft. Darin befinden sich seine Flanellhose, sein weißes Hemd und seine ausgelatschten Schuhe, die er immer zur Schule anzieht. Durch die Maschen kann Pérsomi alles erkennen. Am liebsten würde sie ihm zurufen: Nimm auch deinen Schulpullover mit, sonst erkältest du dich. Aber sie schweigt lieber und läuft ihm hinterher, den steinigen Fußweg hinab zum Fluss. Dort kommt ihnen Piet entgegen. Er marschiert direkt auf Gerbrand zu und schaut ihn herausfordernd an: Wer wird zuerst ausweichen? Die Schalen von der Mandarine, die er im Laufen schält, lässt er auf den Weg fallen, wo sie hellgelb zwischen den grauen Steinen und den vereinzelten Grasbüscheln glänzen. Wenn das Herr Fourie sehen würde. Im Winter leiden sie keinen Hunger, denn dann hängt das ganze Baumstück voller Apfelsinen und Mandarinen. Nicht dass sie die pflücken dürften, aber wenn sie ganz dicht am Stamm welche wegnehmen, merkt Herr Fourie das nicht. Gerbrand geht weiter, bis er kurz vor Piet steht, und schaut ihm geradewegs in die Augen. "Wenn du Pérsomi auch nur ein Haar krümmst, dann schlage ich dich windelweich, wenn ich wieder zurückkomme", verkündet er. Dann schiebt er ihn mit der Schulter zur Seite und geht weiter auf das Wasser zu. Pérsomi macht einen großen Bogen um Piet. Als sie beinahe am Fluss angekommen sind, dreht Gerbrand sich um und schaut sie an. "Wenn Vater dich schlagen will oder dir auch nur ein Haar krümmen will, dann rennst du schnell weg, auch wenn es mitten in der Nacht ist. Du kannst schnell laufen, du rennst ihm locker davon." Pérsomi nickt. Eigentlich hat sie keine Angst. "Mama kann nicht schnell rennen", erwidert sie. Gerbrand zuckt mit den Schultern. "Ich kann hier nicht bleiben, das musst du verstehen. Aber irgendwann komme ich und hole dich." "Wann denn?" "Sobald ich genug Geld habe. Geh jetzt nach Hause zurück." "Aber wann kommst du denn wieder?" Ohne ihr eine Antwort zu geben, wirft er sich sein Apfelsinennetz über die Schulter und überquert den Fluss, indem er von einem Felsen zum anderen springt. So gelangt er trockenen Fußes auf die andere Seite. Zwischen den Orangenbäumen sieht sie nur noch seine kupferbraunen Haare verschwinden. Nachdenklich s