Beschreibung
Skurrile Kombinationen, verrückte Schreibweisen, lautmalerische Poesie: Einkaufszettel sind mehr als kleine Erinnerungsstützen - sie sind Geschichtenerzähler. Sie offenbaren das vielfältige Leben im bunten Großstadtkiez rund um die Kreuzberger Marheinekehalle. Sabine Knauf hat sie entdeckt und den Überbleibseln alltäglicher Einkaufstouren in zahlreichen Collagen und Zeichnungen zu einem "zweiten Leben" verholfen.
Autorenportrait
Sabine Knauf fühlt sich nach 30 Jahren in Berlin weitgehend integriert, ihr badischer Migrationshintergrund macht sich hauptsächlich noch in der Küche bemerkbar. Sie arbeitet als freischaffende Zeichnerin in Kreuzberg und als Ärztin in Neukölln.
Leseprobe
Angefangen hat es in einer langen Kassenschlange mit drei fremden Einkaufszetteln als einzigem Lesestoff. Ich nahm sie mit nach Hause und begann mir ein Bild zu machen von dem türkisch-deutschen Mann, der offenbar am Renovieren war und '1x büyük Lack (weiß)' verfasst hatte. Seltsamerweise ein Mann mit Bilderbuchschnurrbart, wie ihn die türkischen 'Gastarbeiter' meiner Kindheit hatten. Damit war ich dem Sammeln von Einkaufszetteln verfallen. Es ähnelt dem Suchen von Ostereiern und Pilzen, ist aber ganzjährig möglich. Da es in meiner Kreuzberger Straße eine Menge Einkaufsmöglichkeiten gibt, kann ich täglich diesem Vergnügen frönen. Natürlich sind die meisten Zettel langweilig. Aber erstaunlich oft gibt es welche, die verblüffen, interessante, lustige, manchmal auch beklemmende. So wird ein Bild von Berlin sichtbar, das sich in den Zetteln selbst beschreibt, ganz anspruchslos und unspektakulär. Es ist das Bild unserer schönen Vielfalt. Und es zeigt, dass wir, ob jung oder alt, Urberliner oder irgendwann dazugekommen, ein- oder vielsprachig, Wurst- oder Obstesser uns doch zumindest hier begegnen könnten: in der Einkaufsschlange. Dank an Alle, die mir Zettel mitgebracht, beim Übersetzen geholfen und mit ihren Interneteinträgen zum Verständnis beigetragen haben. Und an die unbekannten Verfasserinnen und Verfasser! Sabine Knauf