Beschreibung
Megan Jacobs hatte großes Glück. Nach Jahren des Wartens hat sie tatsächlich ein neues Herz bekommen. Endlich kann das wahre Leben beginnen. Doch der Neuanfang gestaltet sich schwieriger als gedacht. Megan verharrt lieber im Vertrauten, als sich hinaus ins Unbekannte zu wagen. Als die Eltern ihrer Herzspenderin ihr jedoch das Tagebuch ihrer Tochter schenken und sie darin eine Liste mit 25 Dingen findet, die das Mädchen gerne tun wollte, kommt ihr eine verrückte Idee. Was, wenn sie all diese Dinge macht? Und so reist sie zusammen mit ihrer Zwillingsschwester, einer Karrierefrau, die sie immer um ihr scheinbar so perfektes Leben beneidet hat, einmal um die Welt. Sie besichtigt den Taj Mahal, läuft mit den Stieren in Pamplona um die Wette und fragt sich, wie sie den Mut aufbringen soll, im Regen einen Fremden zu küssen. Doch können die Träume einer anderen wirklich ihr Leben verändern? Wundervoller Roman darüber, worauf es im Leben wirklich ankommt.
Autorenportrait
Lindsay Harrel hat Journalismus und Englische Literatur studiert. Zusammen mit ihrem Mann, ihren zwei kleinen Kindern und zwei Golden Retrievern lebt sie in Arizona. Es ist ihr ein Herzensanliegen, mit ihren Romanen all denen neue Hoffnung zu geben, denen diese irgendwie abhanden gekommen ist, und darauf hinzuweisen, dass Gott in einem ganz gewöhnlichen Leben Außerordentliches zu vollbringen vermag.
Leseprobe
Kapitel 1 1. Juni Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte Megan Jacob sich beinahe mutig. Ihre Hände hielten das Lenkrad noch ein bisschen länger umklammert als nötig, bevor sie ihren Ford Focus in die Parkposition schaltete und den Motor ausstellte. Der Parkplatz vor dem Festsaal war voll und die Leute schlenderten in Smokings und Ballkleidern auf den Eingang zu, bereit für die Benefizveranstaltung. Megan hoffte inständig, dass Caleb unter ihnen war. Gleichzeit hoffte sie, dass er nicht dabei war. Aber genau deshalb war sie ja hier. Nicht, dass eine Fundraising-Veranstaltung für genau das Krankenhaus, in dem sie ihre Herztransplantation erhalten hatte, nicht auch so einen Besuch wert gewesen wäre, aber trotzdem hatte sie die Einladung nur deshalb in letzter Minute noch angenommen, weil sie auf Facebook gesehen hatte, dass ihr alter Krankenhauskumpel an diesem Wochenende zu Hause war. Es wurde Zeit, dass sie sich bei ihm entschuldigte. Megan atmete aus und klappte den beleuchteten Spiegel in der Sonnenblende herunter. Ihr naturbraunes Haar umrahmte in Wellen ihr Gesicht. In den letzten dreieinhalb Jahren nach der Operation hatte sie deutlich zugenommen und sah jetzt gesünder aus als je zuvor. Würde Caleb den Unterschied bemerken? Ihre zitternde Hand berührte den tiefen runden Ausschnitt ihres roten Satinkleides. Dabei fanden ihre Finger die Narbe, die vom Halsansatz bis fast bis zum Bauchnabel reichte. Die Ärzte hatten gesagt, sie würde mit der Zeit verblassen. Aber mehr als drei Jahre später war sie so gut sichtbar wie eh und je, wie eine dicke weiße Raupe, die sich nie bewegte. Megan nahm den glatten, leichten Schal, der auf dem zugemüllten Beifahrersitz lag, und überlegte einen Augenblick lang, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn sie ihn dort liegen ließe. Aber dann seufzte sie, schlang den Schal um ihren Hals und band ihn so, dass er die Narbe verdeckte. Als sie sich noch einmal nach rechts beugte, um ihre kleine Handtasche zu nehmen, berührte ihre Hand den Brief, den sie letzte Woche bekommen hatte - noch immer konnte sie sich nicht überwinden, etwas deswegen zu unternehmen. Megan legte eine Zeitschrift darauf, die im Fußraum des Wagens lag. Über den Brief würde sie später nachdenken. Jetzt musste sie sich darauf konzentrieren, Caleb Watkins zu finden. Sie öffnete die Wagentür und stieg in den abendlichen Sonnenschein von Minnesota aus. Auf ihren nagelneuen Pfennigabsätzen wackelte sie ein wenig. Jetzt, wo der Sommer endlich da war, wurden die Tage länger. Der Winter war in diesem Jahr hartnäckiger gewesen als sonst und selbst Anfang Mai hatte es noch etwas Schnee gegeben. Megan liebte alle Jahreszeiten, aber mit dem Winter fühlte sie sich besonders verbunden. Vielleicht, weil sie ihn am besten verstand - der Schnee bedeckte den Erdboden und begrub ihn unter sich, wo er darauf wartete, dass etwas geschah. Dass etwas wuchs. Manchmal schien es ihr, als würde sie ihr ganzes Leben lang warten. Winzige Kiesel knirschten unter ihren Absätzen, als sie sich der Halle näherte. Klassische Musik drang an ihr Ohr. Einige andere Gäste hatten sich an der Tür versammelt, wo ein großes Schild darauf hinwies, dass sie am richtigen Ort war. Megan begrüßte die Empfangsdamen am Eingang und wurde von einem prunkvollen Raum verschluckt, in dem mindestens dreißig runde Tische jeweils mit einer schwarz glänzenden Tischdecke versehen waren, einer kunstvollen Dekoration aus Gold und Blumen, acht Tischsets und Platzkarten. Zwischen diesen Tischen liefen die Gäste herum, die bereits eingetroffen waren, fanden sich in kleinen Gruppen und nahmen sich Champagnerflöten oder Weingläser. Die Bedienungen kamen mit Silbertabletts durch eine Schwingtür auf der linken Seite und boten den Gästen Horsduvres an. Ein schwacher Duft von scharf angebratenem Rindfleisch drang jedes Mal aus der Küche herein, wenn ein Kellner durch die Tür verschwand oder hereinkam. Sie zwang sich dazu, einen Fuß vor den anderen zu setzen, während sie verstohlen nach jemandem Ausschau hielt, den sie kannte - genauer gesagt, nach einem schlaksigen Typen mit dunklem Haar, der immer die Fähigkeit gehabt hatte, ihr ein Lächeln zu entlocken, selbst an ihren schlimmsten Tagen. Megan begab sich an den Rand des überfüllten Raumes. Da sie sich einen Großteil ihres Lebens mit hypertropher Kardiomyopathie herumgeschlagen hatte, waren die Gelegenheiten zu schicken gesellschaftlichen Ereignissen wie diesem nicht sehr zahlreich gewesen und bis jetzt erkannte sie niemanden. Vielleicht kam Caleb ja doch nicht. Instinktiv legte sie zwei Finger an ihr Handgelenk. Fünfzehn Sekunden lang zählte sie, dann rechnete sie im Kopf. Neunzig Schläge. Pro Minute. Das war im Rahmen, auch wenn der Puls ein wenig höher war als sonst. Sie holte das kleine Notizbuch aus ihrer Handtasche und notierte ihren aktuellen Wert. Mancher mochte das für eine unnötige Angewohnheit halten, die sie sich in dem ersten Jahr nach der Operation zugelegt hatte. Damals hatte der Arzt ihr vorgeschlagen, sie sollte ihren Puls ebenso kontrollieren wie die Nahrungsmittel, die sie zu sich nahm, und die Uhrzeiten, zu denen sie ihre Medikamente einnahm. Bei der Kontrolluntersuchung nach dem ersten Jahr hatte er ihr empfohlen, sich einen Pulszähler zuzulegen, zum Beispiel ein Fitbit - etwas, was nicht so viel Wachsamkeit von ihr erforderte. Doch sie hatte sich dagegen entschieden. Wenn sie sich auf ein Gerät verließ, vergaß sie am Ende vielleicht ganz, ihren Puls zu überprüfen - und sie konnte es sich nicht leisten, nachlässig zu sein. Megan setzte die Kappe auf den Stift und verstaute ihn zusammen mit dem Notizbuch in ihrer Handtasche. Dann holte sie tief Luft. Es wurde Zeit, dass sie ihren Platz suchte. Mit Schritten, die so unsicher waren, wie sie sich fühlte, ging Megan erst zum Sitzplan und dann zur ersten Tischreihe, um ihr Platzkärtchen zu suchen. Dabei war sie so konzentriert, dass sie die Person vor ihr gar nicht wahrnahm und plötzlich mit einem Mann zusammenprallte, der groß und kräftig gebaut war. Au. Sie schloss die Augen bei dem Schmerz, der ihr durch die Nase fuhr, und wich einen Schritt zurück. Tut mir leid. Zwei Arme streckten sich nach ihr aus, um sie zu stützen. Meg? Diese Stimme würde sie überall erkennen. Sie machte die Augen auf und legte den Kopf in den Nacken. Caleb starrte sie mit seinen smaragdgrünen Augen an. Oh. Er war nicht mehr der blasse, dürre Kerl, der ein neues Herz brauchte. Seine Wangen waren nicht eingefallen, sein Haar war kurz geschnitten und sein Teint angenehm gebräunt. Sein Körperbau war muskulös, so kannte sie ihn nicht. Auf Facebook waren keine aktuellen Bilder von ihm zu sehen gewesen. Die einzigen Fotos, die er gepostet hatte, waren diejenigen, die er als Profifotograf gemacht hatte. Auf diese Verwandlung war sie nicht im Geringsten vorbereitet. Er sah einfach umwerfend aus. Megan blinzelte hektisch und stand wie eine Idiotin da, weil sie keinen Ton herausbrachte. Ihre entspannte Freundschaft war wie weggeblasen, da Caleb und sie seit über einem Jahr nicht mehr miteinander gesprochen hatten. Nicht, seit er angerufen und sie gefragt hatte, ob sie mit ihm in London zusammenarbeiten wollte, so wie sie es sich immer ausgemalt hatten - und sie Ja gesagt hatte, nur um dann eine Woche vor der Abreise kalte Füße zu bekommen, sodass er in letzter Minute noch einen anderen Autor hatte finden müssen. Ist alles in Ordnung, Meg? Caleb musterte sie mit besorgter Miene. Sie ließ die Hand sinken. Ja. Ihre Stimme klang piepsig, als sie die Worte hervorpresste. Sie räusperte sich. Ja, mir gehts gut. Tut mir leid, der Zusammenstoß. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht freuen würde, dich zu sehen. Oh Mann. Die ganze Sache wurde mit jeder Minute unangenehmer. Und was jetzt? Sollte sie ihn umarmen? Wie früher? Oder sich umdrehen und durch die Tür fliehen, ohne sich noch mal umzublicken? Eine andere Art von Angst als die in jener Nacht durchfuhr sie jetzt. Beinahe als Aber das war Unsinn. Sie hatte ...