Beschreibung
Eva und Angela könnten unterschiedlicher nicht sein: Eva ist Floristin und eine etwas verträumte Künstlerseele, die pragmatische Angela muss sich und ihre drei Kinder mit mehreren Jobs über Wasser halten. Doch eines haben die Schwägerinnen gemeinsam: Ihre Männer kamen bei einem tragischen Tauchunfall ums Leben. Seitdem kämpfen beide Frauen auf ihre ganz individuelle Weise mit der Trauer. Als Eva mit der verrückten Idee aufwartet, im Andenken an ihre verstorbenen Männer an einem Ultramarathon in Neuseeland teilzunehmen, reagiert Angela zunächst abweisend. Doch schließlich brechen sie gemeinsam mit Angelas Kindern und der Schwiegermama zu einer mehrmonatigen Auszeit ins ferne Neuseeland auf. Dort kommen nicht nur ihre Körper, sondern auch ihre Seelen ganz neu in Bewegung. Als sich zur Herausforderung Ultramarathon noch zwei weitere namens Marc und Simon gesellen, stellt sich die große Frage: Sind die beiden auch zu dieser Challenge bereit?
Autorenportrait
Lindsay Harrel hat Journalismus und Englische Literatur studiert. Zusammen mit ihrem Mann, ihren zwei kleinen Kindern und zwei Golden Retrievern lebt sie in Arizona. Es ist ihr ein Herzensanliegen, mit ihren Romanen all denen neue Hoffnung zu geben, denen diese irgendwie abhanden gekommen ist, und darauf hinzuweisen, dass Gott in einem ganz gewöhnlichen Leben Außerordentliches zu vollbringen vermag.
Leseprobe
1. Kapitel Früher hatte Farbe die Tage von Eva Jamison bestimmt. Jetzt starrte sie auf eine weiße Wand, und nichts außer einem schwarzen Computerbildschirm, einem Stiftebehälter und einem Heftgerät schmückte ihre winzige Welt. Flache, grauweiße Lampen über ihrem Kopf erhellten den großen Raum, in dem ihr Schreibtisch mit zehn anderen zusammengepfercht war, mit fluoreszierendem Licht. Das einzige Fenster hier - in maximaler Entfernung zu Evas Tisch - bot keinen Ausblick auf den Central Park, sondern auf ein weiteres graues Gebäude. Aber das Zentrum der Manhattaner Herzstiftung war nicht schuld daran, dass dieser Ort mit seinen minimalistischen schwarzen Möbeln, dem öden olivgrünen Teppich und den kitschigen Spruchplakaten für eine Künstlerin der reine Albtraum war. Nein, das Problem war sie selbst. Sie gehörte nicht hierher. Und doch war dies der einzige Ort, an dem sie sein wollte. »Eva.« Sie erschrak. Die Leiterin des Zentrums, Maryanne, stand neben Evas Schreibtisch. Aus ihrem Knoten hatten sich einige graue Haare gelöst. »Oh, hallo. Was gibts?« »Ich brauche diese Berichte für meinen Ein-Uhr-Termin.« Maryanne sah auf ihre petrolfarbene Armbanduhr, die sich entsetzlich mit ihrem flauschigen roten kurzärmeligen Pullover biss - einer interessanten Kleiderwahl angesichts der drückenden Augustschwüle draußen. »Hast du sie gemailt?« Berichte? Welche Berichte? Evas Wangen brannten. »Äh ich dachte ja.« Sie wandte sich wieder ihrem Computer zu und rief ihre elende To-Do-Liste auf. Dort fand sie den Punkt, von dem Maryanne gesprochen hatte. Nicht als erledigt markiert. Autsch. »Tut mir leid, Maryanne. Ich habe gestern daran gearbeitet und wurde abgelenkt. Ich setze mich sofort dran.« Maryanne rieb sich den rechten Augenwinkel, sichtlich bemüht, einen Seufzer zu unterdrücken. »Nein, ist schon gut. Schick das, was du hast, an Jerry, dann kann er mir helfen, die Sachen fertig zu machen.« »Es macht mir nichts aus. Wirklich nicht.« In ein paar Minuten war sie mit ihrer besten Freundin Kimberly Jensen zum Mittagessen verabredet, aber die würde Verständnis haben, wenn Eva absagen musste. »Nein, nein, wir machen das schon.« Mit anderen Worten: Eva hatte versagt. Wieder einmal. Das Debakel letzte Woche - bei dem Eva versehentlich eine interne Nachricht an alle Spender geschickt hatte - hatte das bisschen Selbstvertrauen, das sie sich bei ihrem Job erarbeitet hatte, gleich wieder zunichtegemacht. Wenn sie eine bezahlte Angestellte wäre, hätte man Eva bestimmt längst gefeuert. Aber die ehrenamtliche Organisation konnte es sich nicht leisten, Freiwillige wegzuschicken, selbst solche, die für Büroarbeiten so ungeeignet waren wie Eva Jamison. »Es tut mir wirklich leid.« »Was hältst du davon, wenn du jetzt Mittagspause machst? Oder nimm dir doch gleich den ganzen Nachmittag frei. Dann sehen wir uns morgen in neuer Frische.« Maryannes Tonfall ließ eher Wunschdenken vermuten als die Gewissheit, dass Evas Arbeit sich jemals verbessern würde. Als Maryanne ging, meldete Eva sich von ihrem Computer ab und griff nach ihrem Telefon, um Kimberly eine Nachricht zu schicken. Wie immer versetzte ihr das Bild auf dem Display einen Stich: Eva in einem traumhaften Kleid mit schwingendem Rock auf Hawaii, ihren selbst gebundenen Strauß aus orangefarbenen Rosen, Kahnorchideen, Strelitzien und Rotem Ingwer in einer Hand, während sie mit der anderen ihren Mann umarmte. Sie waren so unterschiedlich gewesen - Brent mit blonden Locken und einem Teint, der erst nach einigen Sonnenbränden an den ersten Sommertagen bräunte, Eva mit dunklen Augen und langen braunen Haaren. Aber in ihren Herzen hatten sie einander sehr geähnelt. Er war ihre Inspirationsquelle gewesen. Ihre Freude. Das alles war jetzt verloren. Alles war grau. Eva schickte ihre Nachricht ab, nahm ihre Handtasche und eilte den Gang entlang. »Alles, was Eva anfasst, muss ich noch mal machen«, drang die Stimme ihrer Kollegin Valerie aus dem Pausenraum herüber. »Das ist doch lächerlich.« Eva blieb vor der Tür wie angewurzelt stehen. Sie befahl ihren Füßen, sich in Bewegung zu setzen, aber sie gehorchten ihr nicht. »Ich gebe zu, dass sie kein besonders gutes Gedächtnis für Details hat. Aber sie ist sehr lieb und freundlich.« Danke, Susan. Die Frau in den Fünfzigern war seit Evas erstem Tag hier vor sechs Monaten nett zu ihr gewesen. »Aber wir brauchen jemanden, der auch in der Lage ist, einfache Anweisungen zu befolgen. Schließlich ist das, was Maryanne ihr gibt, nicht gerade kompliziert.« »Ihr Mann und ihr Schwager sind bei einem schrecklichen Unfall ums Leben gekommen. Sie trauert immer noch.« »Ja klar, jetzt kommst du wieder mit dem toten Mann«, schnaubte Valerie. »Wir haben alle traumatische Erlebnisse hinter uns. Mein Mann hat mich verlassen, aber hast du schon mal gesehen, dass ich die einfachsten Aufgaben nicht hinkriege? Nein. Und ich habe keinen Cent von meinem Ex bekommen. Durch das, was sie von Brent geerbt hat, ist sie jetzt reicher als Gott.« Beinahe hätte Eva lautstark protestiert. Zugegeben, Fitness pur - die Kette hochwertiger Fitnessstudios, die von Brent zusammen mit seinem besten Freund Marc gegründet worden war - hatte sich in den letzten drei Jahren gut entwickelt. Aber abgesehen von dem, was sie brauchte, um die Miete für ihre Wohnung in Brooklyn und die anderen laufenden Kosten zu bestreiten, war der größte Teil des Kapitals in Investments und Spareinlagen angelegt. Brent und ihr war Geld nie wichtig gewesen. Es war nur ein Mittel, um die Abenteuer des Lebens zu finanzieren. »Das ist jetzt echt gemein!« »Was denn? Ich wünschte, sie würde uns eine ordentliche Spende geben und nicht versuchen, uns zu helfen.« Eva hatte überlegt, ob sie das tun sollte, aber wenn sie hier war, an einem Ort, der ihrem Mann viel bedeutet hatte, fühlte sie sich ihm irgendwie näher. Susans hörbares Seufzen drang an Evas Ohren. »Sie tut mir leid. Man merkt, dass sie etwas Gutes tun will. Ich wünschte nur, wir könnten ihr irgendwie sagen, dass ihre Bemühungen für uns mehr Arbeit bedeuten.« Eva kamen die Tränen, während sie hinauseilte und fast stolperte, als sie den frisch gebohnerten Fußboden im Eingangsbereich überquerte. Kaum hatte sie das Gebäude verlassen, schlug ihr eine Welle drückender Hitze ins Gesicht. Dem Gewitter von gestern war eine hohe Luftfeuchtigkeit gefolgt und die fünfundzwanzig Grad fühlten sich eher an wie fünfunddreißig. Zum Glück war es bis zu dem Restaurant, in dem Kimberly wartete, nicht weit. Nach fünf Minuten hatte Eva erfolgreich alle Tränenspuren beseitigt, bevor sie das angesagte vegane Lokal betrat. Oder zumindest hatte sie das gedacht. Als Eva sich ihrer Freundin näherte, die auf einer Eckbank saß und die Speisekarte studierte, hob Kimberly den Kopf und sah sie prüfend an. »Was ist los?« »Nichts, nichts. Mir geht es gut.« Eva beugte sich vor, um Kim zu umarmen, dann schob sie sich neben ihr auf die Sitzbank. Kimberlys braune Haare waren oben auf ihrem Kopf zu einem eleganten Knoten hochgesteckt, sodass ihr schlanker langer Hals besonders gut zur Geltung kam. Ihre maßgeschneiderte weiße Bluse und die mit Diamanten besetzten Ohrklemmen zeugten von ihrem zunehmenden Erfolg als Hochzeitsplanerin. »Du vergisst, dass ich dich kenne, seit wir dreizehnjährige Möchtegernstars waren. Ich merke, wenn du dein Make-up repariert hast. Also spucks aus.« »Du bist rechthaberisch.« »Und das liebst du an mir.« Ihre Freundin, die in New York zum College gegangen war und gleich nach ihrem Abschluss in Wirtschaftslehre eine Eventfirma gegründet hatte, war überhaupt der Grund, warum Eva vor sieben Jahren mit dreiundzwanzig aus Portland hierhergezogen war. Als sie Eva angerufen hatte, weil ein Bekannter eine Auszubildende für seinen Blumenladen brauchte, hatte Eva die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, mehr über einen Beruf zu erfahren, bei dem sie ihre kreativen Neigungen einsetzen konnte. Auf jeden Fall war es besser, als zu kellnern und ein paar Studenten das Zeichnen beizubri...