Beschreibung
Prolog Ihre Augen waren geschlossen, die Gesichtszüge entspannt, der Mund leicht geöffnet. Die weißen Brüste waren ein wenig zu groß für seinen Geschmack, aber die Rundung ihres Bauches gefiel ihm. Der Gummibund ihres orangefarbenen Rockes war ein Stück nach unten gerutscht, die Knochen der Beckenschaufel zeichneten sich unter der sonnengebräunten Haut ab. Dort, wo sonst ihr Bikinihöschen saß, lugte unschuldiges Weiß hervor. Zarter blonder Flaum bedeckte ihre Haut. Unzählige Male hatte er sie im Bikini im Garten liegen sehen, ihren Körper lange betrachtet. Hatte beobachtet, wie sie sich im Liegestuhl räkelte, die nackten Beine langsam mit Sonnenmilch einrieb und sie dabei elegant in die Höhe reckte. Manchmal trank sie Wasser aus einer Flasche, legte dabei den Kopf in den Nacken und machte den zarten Hals ganz lang. Die roten, leicht gewellten Haare fielen ihr dabei bis zum Ansatz ihres runden Pos. Wenn sie ein Waffeleis schleckte, fuhr sie mit der Zunge langsam und lasziv am Rand der Waffel entlang, steckte spielerisch die Zungenspitze ins Eis und leckte sich die vollen Lippen, als wollte sie ihn mit dieser kleinen Geste locken. Doch damit hatte sie keinen Erfolg gehabt, so leicht war er nicht zu beeindrucken. Zu groß war ihre Schuld gewesen, zu selbstverliebt ihre Inszenierung, als dass sie bei ihm irgendeine andere Gefühlsregung hatte erzeugen können als Hass. Hass auf all das, was ihm angetan worden war, was ihn verletzlich und schwach hatte werden lassen. Das Weib, die Mutter alles Bösen. Doch das war einmal. Nun lag sie vor ihm, bleich und weich und frei von Schuld. Ihre Brüste lockten nicht mehr, ihre Zunge hatte jede Geschmeidigkeit verloren und hing ihr blau und geschwollen aus dem halb geöffneten Mund. Der Hals war nicht mehr zart und lang, sondern eingedrückt. Er blickte noch einmal auf sie herab, verspürte ein leichtes Gefühl des Bedauerns und ließ den Kofferraumdeckel geräuschvoll einrasten. Seine Hände wischte er mit einem Erfrischungstuch ab, das er in ihrer Handtasche gefunden hatte. Es sollte nach Zitrone riechen, doch ihm entströmte nur der Geruch des frühen Todes.
Autorenportrait
Melanie Lahmer, geboren 1974 in Rotenburg/Fulda, lebt mit ihrer Familie in Siegen. Nach dem Studium der Erziehungswissenschaften, Soziologie und Psychologie arbeitete sie unter anderem als Redakteurin bei verschiedenen Magazinen, begann dann aber mit dem Schreiben von Romanen. Sie veröffentlicht Kriminalromane und Ratgeber über Nachhaltigkeitsthemen sowie Liebesromane unter Pseudonym. Für ihr Krimidebüt "Knochenfinder" erhielt sie ein Literaturstipendium der Kunststiftung Nordrhein-Westfalen, der Roman wurde später Quartalssieger beim "Entdeckt!"-Autorenpreis von Amazon. Wenn sie nicht am Schreibtisch sitzt, ist sie draußen in der Natur - entweder im Garten oder beim Wandern.