Beschreibung
Jabbar Abdullah ist Autor und Archäologe. Dank dieser doppelten Kompetenz vermag er in seiner autobiografischen Erzählung Raqqa am Rhein zwei Gesellschaften kritisch zu durchdringen: die syrische und die deutsche. Es ist ein Buch über Aufbruch und Ankunft, über zerstörte Freiheitsträume und hoffnungsvolle Neuanfänge. Im Zentrum stehen zunächst Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend im Zeichen der Diktatur, nahe der nordsyrischen Stadt Raqqa und der Alltag einer Dorfgemeinschaft am Euphrat. Später erkunden die Leser*innen an der Seite des Autors das unzerstörte Aleppo, erfahren die ersten friedlichen Proteste 2011 an der dortigen Universität ebenso wie deren brutale Niederschlagung durch das Assad-Regime. Mit Hilfe von Augenzeugenberichten erhalten die Leser*innen zudem einen Einblick in die skrupellosen Methoden der syrischen Geheimdienste bzw. das Leben unter der Willkürherrschaft des IS in Raqqa nach 2014. Doch Abdullah berichtet auch über seine neue Heimat Deutschland. Detailliert und humorvoll beschreibt er die ersten Schritte in einer zunächst fremden Gesellschaft und Sprache. Dabei hinterfragt der Autor die landläufigen Konzepte von Integration und Herkunft, reflektiert den Freiheitsbegriff und hält auch manch überraschenden Perspektivwechsel bereit.
Autorenportrait
Jabbar Abdullah ist Archäologe, Autor und Kurator aus Syrien. Bereits Ende 2012, mit 24 Jahren musste er aus Raqqa nach Alexandria fliehen. Dort studierte er im Master und kam 2014 nach Köln, wo er seitdem lebt. Zusätzlich zu seiner Arbeit im Römisch-Germanischen Museum ist er sehr aktiv in der Syrisch-Deutschen Kulturszene. Er kuratiert Kunstausstellungen und Literaturfestivals und engagiert sich für Kulturaustausch und erfolgreiche Integration. Neben zahlreichen Aktionen, die er initiiert hat, ist er außerdem Mitbegründer und zweiter Vorsitzender des Vereins 17_3_17, der sich die Förderung des Austauschs deutscher und syrischer Kultur zum Ziel gesetzt hat.
Leseprobe
Zwei Jahre später - ich arbeitete mittlerweile am Römisch-Germanischen Museum und war gerade dabei, einen der Türme der mittelalterlichen Kölner Stadtmauer zu restaurieren - kamen plötzlich mehrere Streifenpolizisten auf mich zugeprescht und erklärten, jemand habe mich als Terroristen angezeigt. Auch darüber lächelte ich nur. Eine Arbeitskollegin erklärte mir später, an solche Dinge müsse ich mich gewöhnen, schließlich sei ich nicht nur Ausländer, sondern auch noch Syrer. Ich lächelte also. Keine Ahnung, warum man in Zeiten von Kriegen und Soldaten, von Flucht, Diktatoren und Rechtsextremen so viel lächelt. Ich verspreche Ihnen, ein guter Geflüchteter zu werden, damit mich alle akzeptieren. Einer, der Schweinefleisch isst, der sich jeden Tag in den Bars betrinkt, der gegen den Bau von Moscheen ist und für ein Kopftuchverbot, einer, der schwarze Körper weiß macht und verhindert, dass auf der Straße, in der Schule und in der Universität eine andere Sprache gesprochen wird als nur die eine. Und der den Rechten in Parlament und Ministerien viele Sitze zugesteht.